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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Sinacher-Sonnenthal, Band 35
Seite - 339 -
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SonnenfelS) Joseph 339 SonnenfelS) Joseph gemacht wurden, die Folter aufzuheben. Wir erinnern nur an den gräßlichen Justizmord des unschuldigen Caläs zu Toulouse. C'in Schrei des Entsetzens ging durch Deutsch« land und Italien, die französischen Encyklo- pädisten verbanden sich mit den italienischen Humanisten. An der Spitze der Letzteren standen Graf Verr i und Cesare Becca< r i a, undVeccaria gab den Wünschen der> selben in seinem so berühmt gewordenen Werke: „vei äolitti 2 äsiis psns" Aus, druck. Das ganze Werk ist auf Aufhebung der Todesstrafe und gegen die Tortur gerich- tet. Ja. und noch viel früher hatte der Jesuit Adam Tanner (gest. 1632). dessen sonder« barerweise kein Conversations-Lexikon ge- denkt, gegen Hexenprocesse, grausame Tor« turen und Strafen öffentlich geeifert. Auch der Jesuit Spee (gest. 1635) that nichts Ge- ringeres, obgleich er die öffentliche Meinung und vornehmlich die Protestanten gegen sich hatte. Redete doch Benedict Carpzou, Sachsens Gesetzgeber und Orakel, nicht nur den Hexen Processen das Wort, sondern hat noch außerdem den eigenthümlichen Ruhm, über 20.0UU Todeöurtheile gefällt zu haben! Schreibt selbst Menze l in seiner „Geschichte der Deutschen" §. 364.- „Hexenprocesse, die grausame Tortur und Verbrennungen waren nirgends zahlreicher als in protestantischen Ländern, zum Beweise., daß der Aberglaube durch die sogenannte Glaubensfreiheit nur dicker und brutaler geworden war". Dieß Alles aber^. schmälert die Verdienste S o n« nenfels' in dieser Frage nicht im Gering« sten; nur theilt er dasselbe mit noch einigen Anderen, so g. B. mit dem tirolischen Hof« tanzler Joseph (I.) Freiherrn von Hor m a y r l^Bd. IX, S. 2?5j und mit dem Professor Ferdinand Joseph uon Leber l^Bd. XIV. S. 266^, wie dieses Nmstandes in den Bio- graphien der Genannten ausdrücklich crwähnt ist. Es wäre also an der Zeit, dieses Hin» stellen Sonnenfelö' als den Einen und Einzigen in dieser wichtigen Frage aufzu« geben und auch seinen Mithelfern in dieser Frage gerecht zu werden, und wäre das um so billiger, als Sonnen fel 6' Schrift über die. Abschaffung der Tortur elst l?75 zu Zu« rich erjchien, während Beccarias' „ -^^ clslitti s HsNs xsns« schon N04 zu^HWH-ev' — wenngleich anonym — das ^icht der Welt erblickt hatte. Die Bemerkung in Graf« fer'S „Jüdischem Plutarch" Bd. I, S. 220 u. f.: „S. sprach eher von der Abschaffung der Tortur und Aufhebung der Todesstrafen, als das berühmte Werk von Verbrechen und Strafen an'ö Licht trat", ist somit unrichtig, denn was S. sprach, ist gleichgiltig, wann er es schrieb, ist entscheidend, und er schrieb es volle zwölf Jahre später als Beccaria. Aber Sonnenfels erwirkte die Aufhebung erst nach Beseitigung mancher Hindernisse uno sie erwirkt zu haben dieses Verdienst bleibt ihm unbestritten. Nicht uninteressant ist der Vorgang, der nach einer Mittheilung aus Sonnenfe lö Munde folgender ge- wesen: Kaiserin Mar ia Theresia hörte, daß Sonnenfe ls fortwährend von der Lehrkanzel herab gegen die Tortur spreche, und ließ ihm sagen: „er solle aufhören, so anzüglich zu reden, weil er sonst entfernt werden müsse". Sonnen fels sagte dein Ueberbringer dieser Nachricht- „Er lasse Ihre Majestät bitten, sie solle ihm die Gnade ge- währen, einen Vortrag über den Gegenstand machen zu dürfen". Die Kaiserin gewährte die Bitte und bestimmte einen Tag zur Audienz. Als Sonn en fe ls in den Audienz« saal getreten war, ließ sich die Kaiserin auf einen Sessel nieder und Sonnenfe ls be? gann — nach damaliger Hofsitte auf einem Knie ruhend — den Vortrag. Die Kaiserin nahm wahr. daß ihm diese Stellung beschwer» lich sei und sagte zu ihm.- „Klli? er sich näher zu mir und lege er seine Schriften auf meinen Schooß". Sonnen fels kam diesem Auf< trage nach und hielt mit seiner bekannten Rednergabe ei>,en glänzenden Vortrag für Abschaffung der Tortur. Am Schlüsse dieseL Vortrages traten der von dein selben tief er- griffenen Kaiserin Thränen in ,die Augen, und in diesem Augenblicke vergaß Son n e n« fels die Hofsitte, erhob sich von den Knien und sprach mit Begeisterung die Worte: „Wenn Europa diese Thränen in den Augen der größten Monarchin unserer Zeit aesehen hätte, so würde eg keinen Äugenblick zwei- feln, daß die Tortur in Oesterreich sogleich abgeschafft wird". Die Kaiserin trocknete die Thränen, legte ihre Hano auf des Redners Schulter und sagte zu ihm: „Laß Er'S gut sein. die Tortur wird abgeschafft", Und das kaiserliche Wort ging in Erfüllung, am 2. Jänner !77ft,wurde öffentlich kundgemacht, daß in den österreichischen Staaten die Tor> tur aufgehoben sei und dem Beispiele der Kaiserin folgten in kurzer Zeit alle Staaten Europa'S. Und das war eine That unseres Sanl ienfe ls , welche die Vertreibung des 22*
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich Sinacher-Sonnenthal, Band 35
Titel
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Untertitel
Sinacher-Sonnenthal
Band
35
Autor
Constant von Wurzbach
Verlag
Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
Ort
Wien
Datum
1877
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
13.41 x 21.45 cm
Seiten
388
Schlagwörter
Biographien, Lebensskizzen
Kategorien
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