Seite - 88 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Sonnklar-Stadelmann, Band 36
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Spaur, Franz Joseph 88 Spaur, Franz Joseph
sung der an ihn gestellten Aufgaben,
und zeigte sich auch da als der Mann.
der denselben völlig gewachsen war. Nach
dieser letzteren Richtung sind einige der
amtlichen Gutachten und Arbeiten des
Grafen in Druck sselegt worden, u. z.
seine: „Nirectarial-Meinung über die Abknr-
M g der Rammrrgerichtz-Alllltillnen" (Regens»
bürg. Fol . ) ' — „Nnmll23glblichl5 Gutachten,
Gedanken und Vorschläge an die gesetzgebend?
Macht, jnni Vesteü der Gerechtigkeit nnd Äb-
Ltrllnng der MizZlirünche bei den AeZtitutillUZ-
Lüchen an dem k. K. Nummergericht ron Zeiten
dez UammerrichterZ"; — „Nirerturilll-Mrinung
über die MiZZbränche der Zlllliritlltnr und deren
— „Auslug an2 einer Angedruckten
de5 Herrn UammerrichterZ zu einer Prade-
librratilln — duI Zlnzügliche einer in Nrnck er-
öchienenrn (5omitial-Zb5timmnng übrr den Kam-
meral-Nericht, dll3'hiesige NanmeZen betressend".
Diese Schriftstücke sind ebenso viele Be«
lege deg Rechtsgefühls, der Einsicht. Ge-
setzeskenntniß und Erfahrung eines ge»
diegenen und in jahrelanger Führung
seines wichtigen Amtes erprobten Rechts,
gelehrten. Die in den Quellen ange»
gebene Schrift gibt eine ausführliche
Charakteristik des Grafen, erzählt man»
chen fesselnden Zug aus seinem Leben,
und geht in ihrer Naivität so weit, daß
sie, nachdem sie berichtet, der Graf, der ein
staunenSwüldiges Gesetzesgedächtniß be-
saß. habe ohne Hilfe eines Buches die
wichtigsten Arbeiten vollbracht. und
dessenungeachtet Gesetze und Autoren,
doch diese äußerst selten, angeführt, weil
er nur sehr wenig auf fremde Autoritäten
dielt (!). Weiter gleichsam als eine beson-
derS scdähenswerthe Qualität des kaiser»
lichen KammerrichterS erwähnt die Schrift,
man habe nach seinem Tode unter seiner
Verlassenheit (sie) keine anderen Bücker
als das Neue Testament und das oorpus <3kM6rHl.i8 gefunden. Gewiß we»
nig für einen Rechtsgelebrten. über dessen
Tüchtigkeit es übrigens nur Eine Stimme
qab. Auch nach religiöser Seite war der
Graf ein Charakter. Er besaß kein Ge«
betbuch', sein Biograph berichtet aus»
drücklich: „Er betete selten. waS man so
im Leben beten versteht. Aber wenn er
betete, bestand sein Gebet in einer ernst»
haften Meditation, in einem geistigen
Gespräche, in einer reinen Herzenserhe«
bung zu Gott. Das einzige geistliche
Buch, worin er täglich eine halbe Stunde
nach dem Frühstücke las, war daS Neue
Testament ^da war wohl ein anderes
Gebetbuch von Ueberfluß^ und die in
demselben von Ieslis und Paulus ge»
lehrte Moral, war die Richtschnur seiner
Handlungen. Er sprach oft, und beson-
ders mit seinem ältesten Sohne, dem
Domherrn Friedrich Fran 5 Ioseph
17. S. 93. Nr. H) , über den geraden,
schönen und schlichten Wortverstand, und
den so leicht zu begreifenden Geist der Sit-
tenlehre Jesus, und erwähnte dabei nicht
selten mit Lächeln und Bedauern der
Theologen aller christlichen Religionü«
Parteien, die nur ihren Sinn, ihre eigene
Meinung darin finden und Anderen auf-
dringen wollten, indessen sie jenen des
göttlichen Lehrers durch mystischen Nn.
sinn und platonisch »aristotelische Spitz,
sindigkeiten verunstalteten. Noch öftelS
aber äußerte er sich mit gerechtem Un«
willen gegen die lieblose Unduldsamkeit.
Verketzerungs- und Verdammungssucht,
wodurch sich so viele Theologen herab»
setzen, und nannte sie immer eine mit
der reinen Lehre Jesu nie zu verein»
barende, ihr geradezu widersprechende
Gefinnungs» und Handlungsart". Zu
Anbeginn des Jahres 1797 oegann der
Graf zu kränkeln, eilebte noch die be>
wegten Tage in der ersten Hälfte des
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sonnklar-Stadelmann, Band 36
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Sonnklar-Stadelmann
- Band
- 36
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1878
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 376
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon