Seite - 158 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Sonnklar-Stadelmann, Band 36
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Spieß) Christian Heinrich 1 38 Spieß, Christian Heinrich
Sache nicht besser. Als er endlich die
volle Ueberzeugung von der Untreue
seines Weibes genommen, nahm er sich
dieß tief zu Herzen, härmte sich ab, be>
gann hinzusiechen und erlag zuletzt sei-
nem Kummer. Unser Gewährsmann
gibt nun auch kleine Beitrage zuSpieß'
Charakteristik. „Er konnte kein Geld
bei sich leiden", erzählt dieser. „alleS ver>
schenkte er an die Armen; so kam eS denn
auch. daß er, obgleich er ein schönes Stück
Geld' verdiente, denn seine Schriften
wurden ihm gut bezahlt, bei seinem Tode
kein Vermögen hinterlassen hatte." Sei-
ner äußeren Erscheinung nach war er ein
schöner, schlankgewachsener Mann mit
einnehmenden Gestchtszügen, in seinem
Wesen offen, mannlich und, so lange er
glücklich war, zutraulich. Auf sein Aeuße«
res legte er große Sorgfalt und auf seine
Garderobe verwendete er nicht geringe
Summen. Sein Ruf war ein sehr ver»
breiteter, denn viele vornehme Herren
und Frauen aus der Stadt und den be«
nachbarten Schlössern kamen in ihren
Kutschen nach Bezdiekau gefahren, um
ihn zu besuchen oder persönlich kennen zu
lernen, und da er in seinem Verkehre sehr
angenehm, heiter und gesprachig war.
so war er in Gesellschaft beliebt und
gern gesehen. Doch daS wurde alles
anders, als sich sein Glück gewendet;
wohl verbarg er äußerlich das Mißge»
schick, das ihn so schwer getroffen, aber
doppelt schwer traf eS ihn, wenn er
wieder allein war, dann versank er in
eine tiefe, schwermüthige Stimmung, aus
welcher ihn nur die Arbeit einigermaßen
herauszureißen schien; denn er schrieb
fte'chig in der Nacht und den Tag über.
sonst machte er Ausflüge in die Umge»
bung, welche er zuweilen ziemlich weit
ausdehnte. Sein Lieblingsplähchen war
ein Felsen, der in ziemlicher Höhe im Walde emporragte und noch heute da
steht. Er tragt auch zur Erinnerung an
seinen einstigen fleißigen Besucher den
Namen „Spießfelsen". Von seiner Höhe
genießt man eine Uebcrscvau der ganzen
Gegend, des lieblichen Angelthales mit
seinen zahlreichen Dörfern, Gehöften,
Scklöffern, Ruinen. Kirchen und Fried-
Höfen, eingeschlossen von den Höhen des
Böhmerwaldes. Dort sind seme so viel
gelesenen ^Löwenrittec". „Zwölf schlafen-
den Jungfrauen", „Clara von Hohen«
eichen" wenn nicht eben geschrieben, so
doch im Geiste gearbeitet worden, wie
ihm dort die finstere Burg Klenau und
die Ruine von Beyecek den Hintergrund
zu seinen Staffagen liehen. Manchmal
unternahm er auch größere Fußpartien,
vornehmlich ins sogenannte Kinische. und
nicht selten überschritt er. das Gebirge
ersteigend, die Grenze und ging oft bis
Deggendorf, Cham, Straubing im baye«
rischen Nachbarlande. AuS der ersten
Zeit. aus den Tagen seines Glückes,
stammen seine besseren Arbeiten, jpater,
alS ihn Eifersucht folterte, er zu kränkeln
und sich zu härmen begann, wurden seine
Arbeiten matter, schleppender. Er konnte
damals schon nur stehend arbeiten und
hielt es auch so nicht lange aus. Auf
seinem Lieblingsfelsen ließ er sich nun
eine Hütte von ungezimmenem Holze er«
bauen, daneben einen Friedhof mit fal«
schen Grabeshügeln und Kreuzen darauf
und so versetzte er sich in die trübe düstere
Stimmung, die ihn in seiner letzten Zeit
on nicht mehr verließ. AlS er starb,
wnrde er auf dem Friedhofe zu Bezdiekau
in einem besonderen, auSgewölbten Grade
beigesetzt. Die Grabschrift, in den Vier«
ziger-Iahren noch gut sichtbar und leser-
lich, lautete einfach: „Hier ruhet Chri-
stian Heinrich Spieß, geboren den 4. Apiil
1733, gestorben den 17. August 1799".
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sonnklar-Stadelmann, Band 36
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Sonnklar-Stadelmann
- Band
- 36
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1878
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 376
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon