Seite - 183 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Sonnklar-Stadelmann, Band 36
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Kfitzer, Daniel 183 Spitzer^ Daniel
Berliners, welche doch immer in Sachen
des Geschmacks erste und letzte Instanz
zu fein beanspruchen, mitgetheilt worden.
Es folgt nun der Ausspruch eineS Wie
ner Schriftstellers, deffen Competenz
wob! auch feststeht. Der Autor der treff«
lichen „Wiener Briefe" in der Augsbur«
ger Allgemeinen Zeitung, v. V.. schreibt:
„Aufmeinem Tiscdcliegtdie dritte Samm-
lung satyrischer Feuilletons des „Wiener
Spaziergängers". Er führt nicht Schwert
und Morgenstern, sondern daS elegante
Rapvier mit der tödtlichen Spitze. Alles,
was die drei Jahre, vom verhängniß«
vollen Mai 1873 bis ^um Beginn des
Türkenkrieges, an socialem erplodiblen
Witz und Bitterstoff enthalten, ist in
dem Büchlein deS Spitzer conccntrirt.
Bisweilen istS wie ein fein geschliffenes
Glas mit dem Schaumweine der launig
prickelnden Tagesfeuilletons, öfter noch
eine Phiole mit atzendem Vitriol der
Zeitsatyre gefüllt. Noch lange, nachdem
eä in dieser Phiole ausgegohren, fürcktet
man eine Explosion. Ich stelle mir vor.
daß ein friedfertiger Philister, der ein«
mal in ferner, allerdings sehr unwahr-
scheinlicher socialer FriedenSzeit diese
Phiole entkorken oder beziehungsweise
dieseä Büchlein aufschlagen wird, betäubt
zurücksinken muß. Mancher Historiograph
wird wohl einen Tropfen „Wiener Bit«
ter" aus dieser Flasche brauchen können,
um ein gewisses Pensum pikant zu ma-
chen; aber die Dosis muß mit Vorsicht
bemessen werden, denn die Arznei — und
wer leugnete, daß hier der Witz mitunter
zur heilsamen Arznei wird? — ist stark.
Wenn ich dem in vieler Hinsicht unver-
gleichlichen fatyrischen Zeitspiegel Spit»
z e r'S in fester bibliothekförmiger Buch»
form mindestens ebemoviele Leser wün-
sche, als die Feuilletons vom Tage gefun-
den, so geschieht daS zunächst aus Dank»! barkeit. Der Wiener H o g a r t h hat
an dem Tage. wo auch ich ihm verfallen
war, Milde für mich gezeigt, und alle
meine literarischen Sünden, außer die
Hafchisck'Träume. wofür man doch füg-
lich Niemanden geistig verantwortlich
machen kann, verschwiegen, dafür bin
ich ihm herzlich dankbar, mag er es nun
mir oder — einem Anderen zu Liebe ge«
than haben. Uebrigens wäre ich selbst
auch von unserem Satyriker in übelster
Weise behandelt worden, ich müßte sein
Buch dennoch empfehlen, wie ich jedeS
Buch empfehlen werde, welches so viel
Talent und Unerschrockenheit, so viel
sittlichen Ernst, so viel gesunden Humor
und erstaunliche Beobachtungsgabe ent«
hielte, wie die „Wiener Spaziergange".
Leider sind solche Bücher selten genug." —
Aber nicht blos ein feiner Satyriker ist
Daniel Sp itz er; lange zuvor, als er
die unvergleichlichen „Wiener Spazier»
gange" unternahm, begegnete man sei»
ncn lyrischen Gedichten im illustrirten
Familienbucde des Oesterreichischen Lloyd,
und die in den Jahrgängen 1838 (S. 67
u. f.) und 4839 (S. 176) enthaltenen
lyrischen Gedichte: „Denkst du daran"
— „Muth" — „Der alte Wein" —
„Am Schiffe" — «Lachen" — „Es
klingt auS alten Tagen" — „Der zer>
brochene Krug" — „Vorbei!" zeigen
uns, wie unser schonungslose Satyriker
tief und warm zu empfinden und es in
sinnigster und correcteft metrischer Weise
auszusprechen verstehe. Um nun freilich
nur annäherungsweise einen Begriff der
eigenthümlichen Schreibweise Sp i tzcr's,
seiner Gedankensprünge und köstlichen
IdeeN'Combinationen zu geben, lassen
wir hier zur Charakteristik seines StyleS
eine Auslese seiner Sentenzen folgen. ^ «^Ii
Zur Charakteristik des Humors und der Satyre
Spitzer's. Wie in der Biographie bemerkt
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sonnklar-Stadelmann, Band 36
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Sonnklar-Stadelmann
- Band
- 36
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1878
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 376
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon