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Spitzer, Karl Heinrich 493 Spitzer. Karl Heinrich
trat in das Polytechnikum. Im Februar
1848 wurde er krank an einem bedenklich
gewordenen Fußleiden, das ihn mehrere
Wochen an Bett und Zimmer fesselte.
Als die Gahrung in Wien begann und
S. Kunde davon erhielt, entzog er sich
heimlich der Obhut seines väterlichen
Freundes, verließ seine bisherige Woh»
nung und miethete sich auf der Wieden
beim „braunen Hirschen" in der Pamgl»
gaffe ein. Dann als die Bewegung ihren
Anfang nahm, hielt es ihn nimmer zu
Hause, er eilte den Studirenden der
Wiener Universität entgegen und schloß
sich dem zahlreichen Zug».', der dem
Landhause in der Herrengaffe zuströmte,
an. So hatte er, den Vorstellungen
seines Schützers und Rathgebers —
seine noäi nickt völlig hergestellte Gesund,
heit zu schonen — entgegen, sich mitten
in die Bewegung geworfen, die von Mi»
nute zu Minute stieg. Mit dem Haufen
war er vor das Gebäude der Landstande
gekommen, gegen daS bereits ein Bata.il'
lon Pionniere unter Commando des
Obersten F rank vonSeew ie s^Bo.IV,
S. 328) von der Freiung herauf anmar.
schirte. Redner stachelten daS Volk zum
Angriffe und Widerstand gegen daS Mili»
rar auf. Die Soldaten rückten indessen
unaufgehalten mitten durch die tobende
Volksmenge weiter vor. Da stürmte der
Pöbel ins Landhaus hinein, ergoß sich
über alle Stockwerke desselben, drang in
die Gemächer und griff zu den Möbeln,
um dieselben aus den Fenstern auf die
anrückenden Soldaten zu werfen. Schon
war die Avantgarde der Pionniere. ge<
führt von dem Hauptmann Karl Czer»
mak, bis in die nächste Nähe deS Land-
Hauses gekommen. Da flogen Steine
und Holzstücke auf sie nieder. Haupt-
mann Czermak und mehrere Soldaten,
davon getroffen, waren niedergestürzt;
o. Würz b ach. biogr.Ierikon. XXXVI. lG auch ein Schuß aus einem Fenster war
gefallen. So war denn das Maaß des
Höchsten erreicht. Militär, welches den
Excessen des Pöbels Einhalt thun sollte,
ward thätlich angegriffen; nun knatterte,
wie man wissen will. auf Czermak's
Commando, der sich wieder aufgerafft,
eine Salve mitten in die ausschrotenden
Massen und vor den mit gefällten Ba»
jonnettenvorrückenden Pionnieren zerstob
die Masse in wilder Unordnung nach
allen Seiten. Das erste Blut der Revolu-
tion war geflossen. Das war am 13. März
1848 um 2 Uhr Nachmittags geschehen.
Fünf Menschenleben waren das Opfer
dieser Salve. Spater folgte eine zweite
Salve. Die Zahl sämmtlicher Gefallenen
betrug 36, davon waren 29 auf dem
Platze geblieben und sieben im Spitale
gestorben. Es waren außer Spitzer
und einem Hnmanitätsschüler Karl K o-
nicsek fast durchwegs Gesellen und
Handwerker, darunter im Ganzen drei
Frauen, von denen eine, Elisabeth
Bauer. Professorsgattin. Am 17. fand
die feierliche Bestattung von 23 Opfern
in Einem Grabe Statt. sDie Zahl der
März-Opfer ist mit Bestimmtheit nie fest-
gestellt worden. Im städtischen Archive
ist die vorhanden gewesene vollständige
Liste derselben — in Verstoß gerathen.
Nach einer von Dr. Adolph Pichler in
der Todtenkammer des Spitals vorge«
nommenen Zahlung hätte die Summe
der Getödteten 60 betragen, jene der Ver>
wundeten über 100. Die bei weitem
größere Hälfte, wie es in der Geschichte
der Wiener Revolution heißt, dem Raub«
gesindel angehörend.^ Noch sei eines
nicht uninteressanten Umstandes bei dem
Tode Spi-tzer's gedacht. Der Schuß,
welcher ihn getroffen hatte, hatte bald
den Dichter Friedrich Hebbel, wel-
cher eben aus dem ständischen Gebäude
or. 17. März 1878 ^ 13
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sonnklar-Stadelmann, Band 36
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Sonnklar-Stadelmann
- Band
- 36
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1878
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 376
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon