Seite - 295 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Sonnklar-Stadelmann, Band 36
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Verleumdung zu bestehen, aber bei der
hohen Ehrenhaftigkeit seines Charakters
siegte er, denn seine Kranken hatten
ihn alsbald so lieben gelernt und lieb«
ten ihn wie einen Vater. Nach langen
Mühen war eS ihm endlich auch gelungen,
die Trennung der Irrenanstalt vom Ver«
sorgungshause zu Stande zu bringen,
die erstere bezog die ganze frühere Ver«
sorgungsanftalt, welche baulich adaptirt
und vergrößert wurde. Die Sonderung
der Abtheilungen für ruhige Gebildete
und ruhige Ungebildete, für minder Ru-
hige und Reine, dann. für Unreine und
Tobende, endlich für Epileptiker wurde
durch verticale Theilung und so zweck«
mäßig durchgeführt, daß man die Kran-
ken, welche nicht zusammenpassen, auch
in den einzelnen Unterabtheilungen von
einander fernhalten kann. Eine kräf«
tige vorzügliche Kost; eine möglichst um<
fassende Beschäftigung der Kranken, na»
mentlich der weiblichen; eine sehr anftän-
dige Einrichtung, die in Hinsicht auf
Bequemlichkeit so manche glänzende An»
stalt überragt; die herrliche, gesunde
Lage u. s. w. verschafften der Anstalt
bald einen so guten Ruf, daß ihr selbst
von Wien Kranke zugeführt wurden. Im
Jahre 1839 wurde S. Director der An«
stalt, deren Reformator und zum Theile
Schöpfer er war; zu gleicher Zeit ver»
lieh ihm der Kaiser in Anerkennung sei»
ner Verdienste um die Anstalt und das
Irrenwesen Oesterreichs den Franz Io»
sephs'Orden, denn er hatte nicht blos
für diese Anstalt gewirkt, er hat auch
eine Reihe von Arbeiten in niederöster-
reichischen Irrenangelegenheiten geliefert,
und war zur Mitberathung über die
neue Wiener Anstalt berufen worden.
Im Jahre 4844 und später jährlich
hatte er auf eigene Kosten Reisen ins
AuSland gemacht, um die Fortschritte im Irrenwesen zu studiren. Die ganze
Zeit hatte er der Anstalt und dem
Irrenfache gewidmet, nur als er im
Jahre 4848 inS Frankfur ter Par-
lament gewählt worden, nahm er für
einige Zeit dort seinen Sitz ein. Aber
ihm sagten Tribüne und das öffent«
liche Leben wenig zu; er kehrte, in man<
cher Richtung enttauscht und geklärter,
bald zu seinem ihm lieb gewordenen
Berufe zurück. Daß er aber die Auf«
gaben seiner Zeit richtig anfaßte, beweist
seine Rede als erwählter Vertrauens-
mann der Urwähler seines Wahldiftrictes
an diese im Jahre 4848. Er verlangte
gleiche Berechtigung der Staatsbürger,
gewissenhafte Gleichstellung und Achtung
aller Rechte, allgemeine Wehrpflicht,
eine freie Gemeindeverfaffung, Schwur»
gerichte im Strafverfahren, öffentliches
und mündliches Verfahren bei Civil.
Streitigkeiten. Ablösung der Lasten, die
auf unterthcmigen Besitzungen haften
und Lösung des herrschaftlichen Unter-
thanenverbandes. Aufhebung der Patri»
monial'Gerichtsbarkeit, ein Preßgesetz,
Petitions. und AffociationSrecht, Mi»
nifter- Verantwortlichkeitsgesetz, Aufhe«
bung der Beschränkungen einiger Reli>
gionSbekenntniffe u. s. f. Und das, was
Spurzheim sagte, daS war auch seine
Ueberzeugung, denn er verstand nicht
dem TageSgötzen zu huldigen und an»
ders zu sprechen, als er dachte. Als
R i e d e l die Direction der Wiener
Irrenanstalt niederlegte, berief der nie»
derösterreickische Landes-AuSschuß S. an
'eine Stelle und im October 4869 trat
er sein neues Amt an. Er hat in seiner
hiesigen Wirksamkeit so manche Reform
zur Geltung gebracht, welche den Ueber«
gang vom Zwangssyfteme in das Nicht«
Zwangssystem ermöglicht, dessen Cha»
rakter er der Anstalt aufprägen wollte,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sonnklar-Stadelmann, Band 36
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Sonnklar-Stadelmann
- Band
- 36
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1878
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 376
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon