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Stadion-Warthausen. Franz Ser. Stadion-WarthauseN) Franz Ser.
den constitutionellen Freiheiten Scheu ge«
hegt, an der Aufrichtigkeit eines Ver>
sprechens einer Constitution gezweifelt
und dem Streben der Entwicklung eines
constitutionellen Lebens Hindernisse in
den Weg gelegt zu haben. Ebensoviele
Entstellungen der Wahrheit als Behaup.
tungen. Die folgende objective Darstel-
lung der wirklichen Ereignisse gibt das
richtige Bild der ganzen Sachlage. Nach.
demdie Kundevonden Ereignissen in Wien
nach Lemberg gelangt war, theilteder Graf
dieselben den Beamten seines Bureaus
mit, erst aber nachdem er im Besitze der
amtlichen Mittheilungen sich befand, ver»
öff^ntlichte er die kaiserlichen Erlasse in
der „Lemberger Zeitung". Das geschah
am 22. März. Den Tag zuvor hatte er
die Verleger und Schriftsteller der Haupt-
stadt um sich versammelt, um sie von
der Aufhebung der Censur in Kenntniß
zu setzen, wobei er hinzufügte: „daß,
nachdem e in Preß gesetz noch nicht
erlassen fei, er daher, da eine schran-
kenlose, durch kein Repressivgesetz gezü»
gelte Presse unabsehbare Folgen nach sich
ziehen würde, gegen irreligiöse, unmora«
tische und aufregende Machwerke die
Censur selbst ausüben werde. Die
Vorgeladenen erklärten sich mit dieser
von ihnen selbst anerkannten, unter
den damaligen Umständen gebotenen
und von jedem Vaterlandsfreunde nur
zu billigenden Maßregel einverstanden;
aber schon fünf Tage später nahmen
diese von einer bereits im ganzen Lande
agirenden, Alles unterwühlenden, aus
Posen. Congreßpolen und Frankreich her-
beigeeilten Actionspartei aufgehetzten
Verleger und Autoren ihr Zugsstandniß
zurück und der Graf gab die Presse
frei. Was diese leistete, bezeugen die
Flugblatter jener Tage, welche den
Glanz der errungenen Freiheit in ekel- erregender Weise besudelten. Die im
Princip ausgesprochene allgemeine Volks»
bewaffnung konnte der Graf, wenn er
nicht bei der damals herrschenden Volks»
stimmung blutige Scenen herbeiführen
wollte, unmöglich sofort ins Leben tre»
ten lassen. Er bewilligte aber die Er»
richtung einer Nationalgarde in Lemberg.
wo jedoch nur an zuverlässige Bürger die
Waffen abgegeben wurden, auf dem Lande
aber sollte, um Unheil zu verhüten,
die allgemeine Volksbewaffnung vorder-
Hand nicht zur Ausführung kommen. Es
galt nämlich die Edelleute vor den Bau«
ern zu schützen, die in der übelverstan.
denen Maßregel leicht die gräßlichen
Scenen des Jahres 1846 widerholen
konnten; hatten sich ja doch in Tarnow
bereits Bauernwühler in Begleitung
zahlreicher Bauernhaufea mit weißen
Binden eingefunden, welche anfragten,
ob sie wieder anfangen sollten? Indessen
hatte eine Versammlung. welche in Tar-
now unter Vorsitz des Fürsten San«
guszko stattgehabt, den Beschluß ge«
faßt, daß, da weder Leben noch Eigen»
thutn in Galizien sicher sei — eine von der
damaligen Actionspartei zur Aufregung
der Gemüther erfundene Behauptung —
die Robot, vollkommen ohne alle Bedin.
Zungen und Entschädigungen aufgehoben
werden müsse. Ferner kam man überein,
eine Deputation von Adeligen, Bürger-
lichen und Juden nach Wien zu entsen-
den. welche die schleunigste Entfernung
mißliebiger Beamter und dictatorische
Maßregeln zur Aufrechthaltung der Ord-
nung verlangten. Die bisher durch
Anwendung ganz gemäßigter, mit den
Forderungen der März.Tage im vollen
Einklänge stehender Maßregeln, wie
es jene des Grafen Stad ion waren,
erhaltene Ruhe, wollte jener Partei,
die nun den Augenblick, loszuschlagen.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Band 37
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stadion-Stegmayer
- Band
- 37
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1878
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon