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Stadion-Warthausen, Franz Ser. 40 Stadion-MarthauseN) Franz Ser.
geschichtliche Wahrheiten auf die Dauer
zu verhüllen. Also Graf S tad ion hatte
Lemberg verlassen und war am 11. Juni
in Innsbruck eingetroffen, wo er die Bil-
dunq eines Cabinets abgelehnt hatte.
Nach kurzem Aufenthalte in Chodenschloß
im Kreise der Seinen kehrte er nach
Wien zurück, wo er auch auf eine Ein.
ladung Pi l lersdorf 'S. in sein Mini«
sterium einzutreten, ablehnend sich ver»
hielt. Indessen hatten die Wahlen für
den constituirenden Reichstag stattge«
funden, Graf Stad ion war in zwei
oder drei Landbezirken gewählt worden,
und hatte die Wahl für Rawa im ^ol-
kiewer Kreise Galiziens angenommen. An
der ersten vorberathenden Sitzung des
österreichischen Reichstages am 10. Juli
1348 hatte bereits S tad ion theilge»
nommen. Die Ruthenen, die in ihm mit
Recht ihren Retter und Heiland sahen,
wählten ihn zu ihrem Führer. Seine
Demission als Gouverneur hatte der
Graf noch im Juni eingegeben, und war
die Erledigung den gewöhnlichen amt»
lichen Weg gegangen, worüber der
darob am 23. Juli interpellirte dama-
lige Minister Dob lho f f keine Aus-
kunft zu geben im Stande war. Als es
sich um die Wahl zum Vice.Präsidenten
des constituirenden Reichstags handelte
waren neben Strobach auf Stad ion
die meisten Stimmen gefallen. Im Reichs-
tage nahm der Graf seinen Sitz im Cen-
trum, ihm zur Rechten saß ein böhmischer
Advocat Dr. A. Tckl. der aber selten
anwesend war. so daß nach dieser Seite
der ehlsame Mathias Herndl , ein Krä»
mer auS Grein in Oberösterreich. saß,
und S t a d i o n's nächster Nachbar
wurde. Dieser, gegen den Grafen durch
die Presse aufgereizt, legte einen Unwillen
und eine Erregtheit an den Tag, die
weit das Maß der Ungezogenheit über« schritt. Graf S tad ion sah eines Tages
sich gezwungen, seinem Widersacher, den
er früher nie gesehen, ihm nie etwas
zu leid gethan, mit Ruhe zu sagen:
„Aber, Herr Herndl, wenn Ihnen meine
Nachbarschaft so zuwider ist, warum ver>
tauschen Sie nicht Ihren Sitz mit einem
anderen"? — „„Das hab' ich auch eh'
schon versucht, fünf Gulden hab' ich her«
geben wollen, aber glauben S' denn, 's
geht mir Einer?"" Auf der anderen
Seite hatte der Graf einen Freund, den
steierischen Abgeordneten Cajetan Grafen
Gleisbach j M . V, S. 217, im Text)
zum Nachbar. Das Erzählte möchte ge<
nügen, um Stadion's Stellung im
Reichsrathe und in Wien zu kennzeich'
nen. Doch besaß er auch viele Freunde
und Anhänger in der Versammlung,
namentlich alle die Getreuen, welche aus
Trieft, Görz, Istrien sich hier eingefun«
den hatten, und den Grafen und seine
unvergeßliche Wirksamkeit in jenen Lan»
den nicht vom Hörensagen, sondern auS
eigener Erfahrung kannten. Stadion's
eigentlich parlamentarische Thätigkeit im
constituirenden Reichstage ist, da ihm
die Gabe der Rede fehlte, von geringem
Belange, und AlleS darauf Bezügliche
aus den fünf Bänden der stenographi-
schen Protokolle des österreichischen
Reichstags ersichtlich. Die Angriffe in
der Presse gegen ihn setzten sich fort
und unterminirten seine Stellung, seinen
Einftuß, ja es ging so weit. daß eS
bedenklich war. mit ihm öffentlich zu er-
scheinen, was er auch selbst wußte. Scbrei-
ber dieses begegnete dem Grafen eines
Tages auf dem Stephans platz, und be»
gleitete ihn eine Strecke. Mit einem
Male bemerkte der Graf leise: „Sehen
Sie nur, aber vorsichtig, wie grimmig
uns Alles anschaut. Ick glaube, es ist
besser, wirtrennen uns. Grüßen Sie mich
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Band 37
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stadion-Stegmayer
- Band
- 37
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1878
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon