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Stadion^ Friedrich 29 Stadion, Friedrich
Seite i. — tO. Friedrich, mit dem aanzen
Namen: Anton Heinrich Friedrich Graf
Siad io n»Warth ausen (geb. 5. April
l69l. gest. 26. October i?68), Stifter der
friedericianischen Linie (Warthausen), des
Grafen Johann Ph i l ipp Joseph zwei«
ter Sohn aus deffen zweiter Ehe mit Ma«
ria An na Gräfin S ch ö nb orn , und des
Balnberger Fürstbischofs Franz Conrad
sS. 28. Nr. 7) Halbbruder. Graf Fried«
rich gehört ganz zu jenen Männern des
i8. Jahrhunderts, welche dasselbe mit allen
seinen Vorzügen, Eigenthümlichkeiten und
Schattenseiten charakterifiren, war eine durch
und durck originelle und höchst interessante
Persönlichkeit, welche auch der Zeit voraus,
geeilt und daher nicht immer verstanden
worden war. In kurmninzischen Diensten
begann er seine öffentliche Laufbahn, wulde
geheimer Rath, Hofmarschall, Oberamtmann
zu Blschofshrim an der Tauber und zuletzt
oberster Staats- und Hofminister, wobei er
auch das Prädicat eines kaiserlichen wirk«
lichen geheimen Rathes erhielt. Der Graf,
der nach beendeten Studien zur Vorberei«
tung seines Eintrittes in das öffentliche
Leben die sogenannte Cavaliertour, worunter
man das Reisen und den Besuch an befreun»
deten Höfen, an welche die jungen Caoaliere
auf das wärmste empfohlen waren, ge«
macht, hatte Vol ta i re kennen gelernt und
gern dessen Ansichten über Jesuiten und
Religion angenommen und auch noch ferner
den Verkehr mit dem Bahnbrecher aller
Negation des Religiösen unterhalten. Wie»
land zählt zu den vornehmsten Genossen
des Stad i o n'schen Hauses und er wurde
auch durch den Grafen an der Universität
in Erfurt angestellt. Von Erfurt kam Wie»
land nach Weimar, wohin ihm nun Her«
der. Goethe. Schi l ler und einige Götter
Nwoi-uili 362tium folgten. Der Graf hängt
also mittelbar mit dem Weimarer Musensitz
und den geistigen Bestrebungen, die dort
auftauchten, zusammen. Hätte der Graf einen
anderen Gebieter über sich gehabt, als den
geistig beschränkten und unthätigen Kurfürsten
Franz Gott l ieb vonOstein. wer weiß,
wie weit er in seinem Schaffensdrange
gegangen. wie manches Andere seiner
bauenden Hand noch zu verdanken wäre.
Trotz alledem that er dennoch viel und refor«
mirte nach allen Seiten. So ließ er das alte
Landrecht umarbeiten, beförderte verschiedene
nützliche Anstalten, suchte den Bettel abzu« stellen und suchte den durch die herrliche Lage
von Mainz anzwei Flüssen begünstigtenHandel
der Stadt Mainz zu seiner vorigen Beoeu»
tung zu heben. Zu diesem Zwecke ließ er am
Rhein Waarenlager und einen Weinmartt
anlegen, that Alles, um in Höchst, Castell
und Roßheim die Manufaciur zu heben,
genehmigte zwei neue Messen u. s. f. Aber
der letztere Umstand, welcher, um die Auf»
stellung der Marktbuden nicht zu unter-
brechen, die Wegschassuna des an der St.
Sedastianskirche aufgestellten MissionstreuzeS
und einer Bildsäule des h. Johannes Nepo«
muk elforderte, brachte den Grafen in
schlimme Händel. Das Misnonskreuz hatte
der Graf glücklich beseitigen lassen, nun sollte
der h. Johannes an die Rtt'he kommen. Da
aber betrat am Iohannestage, 16. Mai, der
Jesuit k. Winter, als Domprediger die
Kanzel und schloß die Festrede auf den
Märtyrer mit den Worten: „Das Missions»
kreuz hat man weggenommen, nimm Dich
in Acht. h. Johannes, daß Du nicht auch
den Wucherern und Tempelschändecn den
Platz zu räumen hast." Wenige Tage später,
2t. Juni, am Aloisiustage glosstrte er die
Berufung Wieland's nach Erfurt mit den
Worten: „Selbst unter den heidnischen Kai<
srrn wurde sein schlüpfriger Ovidius wegen
seiner Schandgedichte in das Elend verlöte«
sen. jetzt werden dergleichen Sittenveroerber
zu Lehrstellen befördert." Nun war das
Signal gegeben. Der Prediger mußte freilich
die Diöcese verlassen, aber was er gewollt,
war erreicht: das Missionskreuz mußte an
seinen alten Platz zurück und das geschah
mit dem pomphaftesten Aufzuge, in welchem
das auf einem Wagen der Länge nach ge.
legte Kreuz von sechs fürstlichen, mit rothem
Sammt bekleideten Hermelinpferoen gezogen
wurde. Den h. Johannes wegzuschaffen, die
Lust dazu war dem Grafen vergangen! —
Die im 98. Theile von Cramer's „Neben-
stunden" abgedruckten „Ii-aatatiuueula, äs
loutidus ^uris aanouiai ssrmauioi", welche
I . B. Hor i l l^d. IX, S. 270) l?Z8 her-
ausgegeben, machten auch viel böses Blut
uno in einem Handschreiben ääo. 29. April
17Z9 war der Graf, des Horir Freund und
Gönner, genöthigt, auf Ehre u-nd Gewissen
dem Kurfürsten zu betheuern, daß er der
Sache fremd geblieben. Glücklicher war der
Graf — und zwar im merkwürdigen Gegen-
satze zur Gegenwart — mit anderen Vor«
nahmen. Als dem Pfarrer von Walldüren
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Band 37
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stadion-Stegmayer
- Band
- 37
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1878
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon