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sten diese selbst." Und in der That, als
diese Frau ihren ersten Mann, den Gast«
wirth, durch den Tod verlor, reichte sie
dem etwas jüngeren S. ihre Hand in zwei«
ter Ehe. I n dieser wurde im März 1792
unser Staps geboren und in der Taufe
nack seinem VaterFrie drich Gott l ieb
genannt. Dieser Sohn war der Mutter,
die bisher in 17jähriger kinderloser Ehe
gelebt, höchstes Glück' unter ihrer Sorg-
falt wuchs er frisch und gesund auf. Er
lernte leicht und gern. Anfanglich zeigte
er Neigung zum geistlichen Berufe des
Vaters, später aber entschied er sich für
den Kaufmannsstand und widmete sich
mit allem Elfer den darauf bezüglichen
Studien. Dabei war er tief religiös und
blieb es bis an sein Lebensende. Zu sei'
ner Mutter zog ihn die innigste Liebe.
„Mutter", rief er eines TageS zu ihr,
„wenn ich einst meinen eigenen Herd
habe. nehme ich dich zu mir, dann will
ich dir all deine Liebe vergelten." So
trieb er mit Eifer seine Studien, übte
Musik, zeichnete nicht ohne Talent,
versuchte sich sogar in der Dichtung und
bearbeitete, nach derLectüre der berühm-
ten Iugendfchrift „Gumal und Lina",
einen Theil davon als Schauspiel. Im
Jahre 1806, damals 14 Jahre alt, kam
er als Lehrling in die Fabrik von Roth.
stein und Lentin nach Erfurt. Dort
war er seiner Geschicklichkeit, seines Flei.
ßes und seines herzlichen Benehmens
wegen bald der Liebling des Principals
geworden. Von einer besonderen Theil«
nähme für die politischen Vorgänge jener
Tage zeigte sich bei ihm nie eine Spur.
Als er im August 1809 die Eltern auf
ackt Tage besuchte, erschien er unbe-
fangen, fröhlich. An den Vergnügungen
eines Volksfestes, deS sogenannten
Kirschfestes, das man eben damals in
Naumburg feierte, nahm er lebhaften Antheil. Auch beim Abschiede verrieth er
sich mit keiner Miene, daß er eine That,
wie jene, die er ausgeführt, vorhabe.
Ohne ungewöhnliche Rührung, ohne
besonderen Ernst auf seinen Zügen,
nahm er Abschied von seinen Eltern,
welche ibn damals zum letzten Male
sahen. Nach dieser Zeit aber war er
völlig ein Anderer geworden und wid-
mete er den politischen Vorgangen eine
ungetheilte Aufmerksamkeit, schrieb in
den Briefen an seinen Vater demselben
Alles, was er über den österreichisch,
französischen Krieg erfahren konnte,
berichtete mit großer Begeisterung von
den Siegen des Erzherzogs K a r l ,
schickte den historisch denkwürdigen
TagSbefehl desselben nach der Schlacht
von Aspern vom 23. Mai 1309 in Ab-
schrift an den Valer und meldete ihm
den glänzenden Sieg über Napoleon,
fügte dieser Nachricht verschiedene Gt>
rüchte, von einer gefährlichen Verwun»
düng Napoleon's, von dessen Flucht,
von einer Mobilisicung Rußlands und
Preußens u. s. w., bei. Kurz er nahm
an den politischen Zuständen einen An-
iheil, wie er ihn früher nie genommen
oder gezeigt. Dabei beobachtete er große
Vorsicht und bat den Vater stets, seine
Briefe zu vernichten. Man sah es aus
jeder Zeile, die er schrieb, daß er sich die
unwürdigen Geschicke seines Vaterlandes
sehr zu Herzen nahm. Dabei las er
Sck i l le r , der sein Lieblingsschrift,
steller war, und gerade vor Ausführung
seiner That „Die Jungfrau von Or«
leans". I n Erfurt reiste seine That.
Den zwei Freunden die er dort hatte,
theilte er sich mit. Der eine, Commis in
einer Erfurter Buchhandlung, hieß Zer«
renner und war spater in französischer
Gefangenschaft am Hungertode gestor»
ben-, der andere, Wal ter , diente in
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Band 37
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stadion-Stegmayer
- Band
- 37
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1878
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon