Seite - 227 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Stadion-Stegmayer, Band 37
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Starker 227 Starker
und putzte es aus. Ich bat um Ver-
zeihung und unser Aufseher beorderte
einen meiner jĂĽngeren Collegen, das-
selbe wieder anzuzĂĽnden. Dies war der
einzigej Moment, wo ich meine Neu»
gierde stillen konnte; behende lehnte ich
mich im Dunkeln ĂĽber den Tisch, ergriff
des Novizenmeisters Becher und kostete
mit einem Zuge den Inhalt aus. I n
dem Augenblicke vernahm ich die Tritte
deS Novizen. welcher Licht brachte, und
sorgsam stellte ich den Becher wieder
dorthin, wo ich wähnte, daß er geftan-
den habe. Allein entsetzlich — das Licht
kam und beleuchtete den leeren Becher,
welcher inmitten einer Schüssel —.voll
Linsen stand. DaS Verbrechen war ent-
deckt, Schmach und Hohn lohnte den
Neugierigen, der bald darauf daS Klo«
ster verlieĂź. Aus dem Kloster trat ich
in Dienst des Turnermeisters zu ^ und
geigte, blies, sang. schmetterte und wir»
belte Tag und Nacht." — Als ihn nun
der Freund fragte, ob er auch geliebt,
entgegnete L iberatus: „Geliebt? Ja,
geliebt habe ich, aber daS ist lange her
und der Traum meiner Jugendliebe ist
längst dahin." Auf die Bitte deS Freun-
des, von seiner Jugendliebe ihm doch zu
erzählen, fuhrLib eratuS fort: „Einst-
mal" nahm mein Meister mich in ein
sogenanntes Liebhaberconcert mit, wel«
cheS die Honoratioren d?5 Ortes ver».
anstĂĽlteten und wo ich die Pauken zu
schlagen hatte. Hier sah ich zum ersten
Male in meinem Leben reich gekleidete
und schöne Frauenzimmer, meine Sinne
wurden erregt, meine Augen von den
Strahlen der Schönheit geblendet und,
Herr. hier war es. wo ich mein jugend«
licheS Herz verlor. „O hätten Sie sie ge>
sehen", klagte der alte Mann in schmerz»
licher Erinnerung, verloren, ,den schlan«
ken Hals, die schönen Seiten, die Herr« ^ liche Farbe, o Freund, dergleichen gibt
eS wohl nicht mehr", jammerte er fort
und erregte so nicht wenig die Theil«
nähme des Freundes. „Diese Wölbung-
— er kam seiner Beschreibung mitderHand
zu Hilfe — „war so graziös und ihr
himmlischer Ton riß zum höchsten Ent»
zücken hin." — „WareS eine Deutsche?"
fragte der Freund voll innigen Antheils.
,Nein, Herr, sie war eine Italienerin."
— „Gewiß aus gutem Hause?" , Ge«
wiß". stöhnte LiberatuS. — ,Darf ich
fragen, was für eine'geborne?" — ,O
Gott. o Herr! eS war eine Amat i . " —
,Amati?" fragte der Freund. „Freilich
Amati und noch obendrein von der
groĂźen Linie der Bratschen." Nun erst
begriff der Freund, daĂź des 3iberatuS
Starker erste und einzige Liebe eine
Geige, eine echte Amati gewesen. I n
solcher Weise, voll Humor und immer
voll Begeisterung fĂĽr echte Musik und
fĂĽr die alten ewigen Priester derselben,
erzählte und schwärmte L i b e r a t u s
S t a r k e r . I n der That war er auch
ein trefflicher Musikus, sehr tĂĽchtig auf
allen Instrumenten. Dann wurde er
Professor der Musik im k. k. Theresia-
num in Wien, leitete spater mehrere
Jahre hindurch — in den Dreißiger-
Jahren — die Tanzmusiken bei den
„zwei Raben" und im „goldenen Hir»
schen", zwei zu jener Zeit sehr beliebten
und vielbesuchten Vorstadt.Tanzlocali-
täten Wiens, und zuletzt wurde er Tur«
nermeister in Mödling nächst Wien und
leitete als solcher die Kirchenmusik dieser
von den Wienern im Sommer viel besuch»
ten Ortschaft. L iberatus kannte nur
eine Musik als echt, die der Altmeister
Bach. H a n d e l . Bee thoven ,
Haydn, Mozar t ; und dann lieĂź er
noch Schubert gelten und brach immer
in Thränen auS, wenn man ihn an den
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Band 37
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stadion-Stegmayer
- Band
- 37
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1878
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon