Seite - 228 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Stadion-Stegmayer, Band 37
Bild der Seite - 228 -
Text der Seite - 228 -
Starker 228 Starker
zu früh Verblichenen erinnerte. „O mein
Franz, o mein Franz", rief er aus, ,,Wa«
rum bist du gestorben, warum muffen
tausend der Liedverderber leben, leben,
um im Wohlergehen zu schwelgen, wah«
rend du. mein Franz. auf dem Währinger
Friedhofe liegst!" Wenn man ihm die
Koryphäen der neueren Musik, wie z. N.
Meyerbeer, entgegenhielt, entgegnete
er entrüstet: „Meyerbeer's Musik ist für
mich nichts als ein melodieloses Ge
lärme. eine künstliche Tonzusammen-
fügung, die das Herz kalt läßt und die
Ohren taub macht." Und gar St rauß
und Jänner, welche zu seinem Fluche
und weil er ja davon lebte, er den
lustigen Wienern in Mödling immer
vorspielen mußte, o diese Beiden ver
darben ihm vollends das Leben. AlS
Strauß gar einen Sohn bekam und
auch dieser Sohn Walzer schrieb, rief er
eines TageS, auf die Frage, wie es ihm
gehe: „Schlecht geht es mir, sehr
schlecht, jetzt muß ich auch Strauß den
Sohn spielen; o warum mußte dieser
Strauß sich vermehren!" Und wenn ihn
dann ein Freund tröstete: „Er möge
sich beruhigen, da es naturhistorisch ge»
wiß, daß die Strauße gewöhnlich nur
Ein Junges haben", wollte er auf die«
ses Argument, das sich freilich nicht
bewahrheitet hatte, gar nicht hören und
rief: ,O ich Aermfter. und wenn dieser
Strauß sich vermehrt, so erlebe ich es
noch, von Strauß dem Enkel spielen zu
muffen. Auch zwei La nne r gibt es
schon. Herr des Himmels! zwei Strauße,
zwei Lanner und nur einen Beetho»
ven! O wenn Sie wüßten, was ich
bei solchen Reflexionen Alles empfinde'."
— Das ist, daS war der Turnermeister
Lid eratus S t a r k e r. I n seinem
Schmerz um den Verfall der Musik
gab er sich dem Trunke hin. Die Fol> gen blieben nicht aus. Es befiel ihn die
Wassersucht und er legte sich hin, um zu
sterben. Selbst sein Tod ist eigen. Er
blieb bis an sein seliges Ende in froh-
licher Heiterkeit und immer eingedenk
seiner lieben alten Meister H a n d e l ,
Bach, Beethoven. Haydn, Mo<
zart. Da sprach er eines Tages zu
seiner alten getreuen Pflegerin i „Paßt
auf. Schrottenbacherin, wie ich gleich
abfahren werde!" Die alte Frau stand
am Bette und weinte, ihr alter Pfleg-
ling aber lächelte vergnügt und schlug
mit seiner zierlichen weißen Rechten einen
Dreivierteltact, indem er klar und deut-
lich sprach: „Abfahren, abfahren, abfah-
ren'." Und siehe da, die Hand fiel aus
die Bettdecke nieder und der Turner-
meister L i be ra tus S t a r k e r war
abgefahren. So hatte seine alte Pflegerin,
die bis zum letzten Athemzuge ihm beige-
standen, seinen Tod erzahlt. Nach sei»
nem Tode erging von seinen Freunden
ein Aufruf zu Beitragen, um ihm auf
dem Friedhofe zu Mödling einen Denk-
stein zu setzen. Und am 29. October
184i5 wurde ihm derselbe gesetzt. Ein
von Proch componirter Introitus für
Hömer, Posaunen und Ophikleid leitete
die Feier ein, I)r. Berger. der nach-
malige Minister, hielt am Grabe eine
Rede und ein von Ruper tus gedich»
teter, von Randhar t inger compo-
nirter Chor, an dessen Aufführung sich
Proch. Nottes. G. von Frank, Ge-
brüder Lewy u. m. A. betheiligten,
schloß die Feier. L iberatus Star»
ker war eine echte, tiefangelegte Künst»
lernatur, die den Sinn für daS Höchste
sich treu zu bewahren wußte inmitten
eines frivolen Betreibens seiner Kunst,
wie es seine äußere Stellung im Leben
von ihm verlangte. Sein Freund R u-
pertus M . XXVII) S. 269) entwarf
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Band 37
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stadion-Stegmayer
- Band
- 37
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1878
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon