Seite - 253 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Stadion-Stegmayer, Band 37
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wenden haben, „denn er kann ja keine
Musik". Dieser Ausspruch des Regens«
chori verletzte tief den Ehrgeiz Stau»
digl's. der nun nicht nur Schullehrer,
sondern ein Virtuos auf der Orgel und
Violine werden wollte. Sofort wurde
eine Geige gekauft und über Hals und
Kopf bei seinem Vetter Groß im Geigen».
Clavier» und Orgelspiel sich geübt. So
waren die sechs Ferienwochen unter un«
ausgesetzten musikalischen Uebungen vor«
übergegangen, als ein Brief eines seiner
früheren Lehrer, eines Capitularen im
Stifte Zwettel, anStaudig l 's Eltern
es sehr beklagte, daß der Sohn die
Studien aufgegeben, und dabei die Nach»
richt enthielt, daß für ihn in Krems für
Wohnung. Bücher und Unterhalt gesorgt
sei, er möge nur ungesäumt hinauf«
kommen, um die philosophischen Studien
zu beginnen. Nun war der Himmel
selbst voller Geigen und indem Stau»
digl die eigene als überflüssig in einen
Winkel warf. schickte er sich sofort an zur
Reise nach Krems. Am 2. November
1823 langte er an und fand daselbst
alles, wie es der Zwettler Capitular den
Eltern geschrieben hatte. Ein anderer
Professor hatte ihm auch schon eine Unter-
richtsstunde verschafft, mit deren Erlös
er zur Nothdurft die Auslagen für seine
Wäsche decken konnte. Auch nahm er
bei dem dortigen akademischen Zeich«
nungslehrer O der Unterricht im Zeich«
nen, aber braucdte schon im zweiten Mo-
nate kein Honorar weiter zu entrichten,
da ihn Ober nicht blos in den Zeich»
nungSrequisiten frei hielt, sondern auch
für seine Dienstleistungen als Gehilfe
hononrte. So finden sich denn in Krems
viele Zeichnungen von S tau digl's
Hand, die einen fremden Namen tragen.
Auch in den Studien machte er gute
Fortschritte und nur die Wahl siel ihm schwer, wofü>- er sich entscheiden solle: ob
für die Rechtswissenschaft, die Arznei»
künde oder die Theologie. Der entschei»
dende Augenblick kam immer näher; als
er nun viele seiner Coliegen um Auf.
nähme in Seminarien und Klöster bitten
sah und, nachdem er sie um den Grund
dieses Schrittes gefragt, von ihnen ver.
nahm, daß sie, da ihnen das Vermögen
fehle, um Ius oder Medicin zu studiren,
sich für den geistlichen Stand entschieden,
bei welchem die leibliche Sorge wegfalle,
entdeckte er. daß er sich selbst in gleichem
Falle befinde und sich also für ihn die
StandeSwahl von selbst ergebe. Dazu
gesellte sich noch die Freude der Eltern
über diesen Entschluß, die nicht wenig
stolz darauf waren, ihren Sohn dereinst
als hochwürdigen geistlichen Herrn zu
sehen. S taud ig l setzte nun ohne
Säumen sein Bittgesuch auf, nur war er
nock unentschieden, in welchem Stifte er
die Aufnahme ansuchen solle. Als er um
diese Zeit — es war Ostern — die übli«
chen Ferien zu einem Ausfluge nach Melk
benutzte, daselbst auch das herrliche Stift
besuchte, gefiel es ihm dort so gu-t, daß
auch die Wahl des Stiftes entschieden
war. Er überreichte daselbst sein Gesuch
und wurde als Novize des Benedictiner»
stifteS aufgenommen. Am 1. November
1825 wurde S. eingekleidet und an die«
sem Tage überreichte er seinem Prälaten
Marian Zwinger zwei eigens für ihn
gearbeitete Zeichnungen, worauf ihm der
Prälat die Zusicherung gab. daß S.,
sobald ihm die theologischen Studien
mehr Muhe ließen, die Conviclszeichen»
schule übernehmen solle. Als er nun gar
im Stifte viele Musikliebhaber und in
dem Prälaten selbst einen eifrigen Ver-
ehrer und Förderer der schönen Künste
fand, schienen die Erwartungen, die er
vom Klosterleben gehegt, weit übertroffen.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Band 37
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stadion-Stegmayer
- Band
- 37
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1878
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon