Seite - 297 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Stadion-Stegmayer, Band 37
Bild der Seite - 297 -
Text der Seite - 297 -
Stephan, Martin 297 Stephan, Martin
auszukommen, mag es erklären, daß
S teph a n's Zehre, bald nach ihm Ste>
phanismus genannt, immer mehr und
nicht nur in seiner Gemeinde, sondern
auck außer derselben Anhanger fand,
wenn sich auch schon damals ungünstige,
wenngleich unbestimmte Gerüchte über
sein Thun und Treiben verbreiteten. Ins»
besondere seine Herrschsucht war störend
und durch sie verdarb er es mit Allen;
zunächst mit den sonst so friedlichen
Herrnhutern. Diese hatten sich bisher
immer als seine wohlwollenden Freunde
bewiesen, auch fleißig s ine Andachtsttm«
den besucht. Das aber genügte dem fa>
natischen, immer mehr Terrain erobern-
den Sectirer nicht, er verlangte von den
Herrnhutecn. ihn sammt den Seinen
auch zu jenen besonderen Versammlungen
zuzulassen, bei welchen bloß eigentliche
Mitglieder jener Secte zulässig sind und
wobei nur Seelsorge betreffende Briefe
und Angelegenheiten, welche das In-
nere der Gemeinde angehen, mitgetheilt
wurden. Dieß wurde ihm verweigert.
Nun begann Stephan, durch diese
Weigerung gereizt, die Gemeinde hart
zu beschuldigen und anzufeinden. Natur«
lick blieb auch die Gegnerpartei nicht
müssig. Der Zwiespalt war ausgebrochen
und im Jahre 1821 erfolgte der erste
öffentliche Angriff gegen ihn. Stephan
antwortete kräftig und seine Predigten,
welche er bald darauf veröffentlichte,
brackten seine Gegner zum Schweigen.
Die Titel der damals von ihm heraus»
gegebenen Predigtwerke sind: „Der chriZt-
liche Glaube; in einem vollständigen Jahrgange
Predigten dc5 Nirchensalires 1s2-l> über die
gemühnlichen Sunn- nnd Fcsttllgs-löulliigrlien.
Gehalten in der St. ZahanneZkirche jn Dresden."
2 Theile (Dresden 1823 u. l826 Mal -
ther^ gr. 8".); — „Herzlicher Anruf an ulle
kuangelislhen <5liri5ten, in zwei Predigten; nebZt einer Vorrede über Schwärmerei und Seiten-
wesen" (ebd. Leipzig, Tauchn!^ 4823.
gr. 8<>.). Damals schon erhoben sich
Stimmen, welche es entschieden brstrit-
ten, daß er die in den vorgenannten
zwei Schriften enthaltenen Predigten
selbst verfaßt habe. Wer die mangelhafte
theologische Bildung dieses nur bibel»
festen, sonst aber rohen und unwissenden
ehemaligen Webergesellen kannte, mu«
thete ihm sicher nicht die Fähigkeit einer
solchen Arbeit zu und es unterliegt kei»
nem Zweifel, daß er diese Schriften durch
verschiedene junge Candidaten, die er an
sich zu ziehen und für seine Zwecke zu
gewinnen und auszubeuten verstanden
hatte, hatte verfassen lassen und nur sei-
nen Namen darauf gesetzt hatte. I n die-
sen Schriften aber deutete er bereits sei»
nen Plan an. sich an die Spitze einer
separatistischen Gemeinde zu stellen, und
da er wohl einsah, daß dieses nur in
einem Staate der neuen Welt geschehen
könne, so sprach er seine Ansicht unver»
holen aus: „daß ein Land zu verlassen
sei, das die erwünschte Glaubensfreiheit
verweigere". Von nun an betrachtete „er
sich als das Haupt und den Mittelpunct
einer cmS der evangelischen Landeskirche
ausgeschiedenen Gemeinde von Geist«
lichen und Laien, der sogenannten „Ste»
phanisten". die von der böhmischen Ge»
meinde ebenso verschieden sind, als von
Stephan's früheren herrnhuterischen
Zuhörern. Es wurden Stationen gebil»
det, die in Conventikeln Stephan'S
Treiben nachahmten. Solche Conventikel
bestanden im I . 1829 in Niederfrohna.
Lunzenau und BraunSdorf unter beson«
deren Pfarrern. In Uebereinstimmung
mit ihrem Meister proclamirten diese
Männer ein rigoristisches Evangelium
und ein terroristisches 3utherthum. Mit
dem Jahre 1830trat ein Wendepunctzum
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Band 37
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stadion-Stegmayer
- Band
- 37
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1878
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon