Seite - 339 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Stehlik-Stietka, Band 38
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Silber, Karl 339 Stiber, Karl
AbHange der Höhen von Spiazzi eine
sorgfältig bearbeitete Säule mit Angabe
deS Todestages und der kurzen Inschrift
sehten: „Dem tapferen österreichischen
Hauptmanne St iber das 44. piemonte-
fische Regiment." So war denn doch noch
nichts von der Treulosigkeit des Fürsten«
Hauses in das Heer übergegangen. Nach
vollkommen authentischen Mittheilungen
mehrerer Ofsiciere seines Regimentes,
welche ich dem Grafen Andreas Thür«
heim verdanke, war aber daS Ende dieses
ausgezeichneten Officiers nicht eine Folge
seiner Verwundung, fondern einer ruch«
losen That. Als nämlich S., durch die
Schußwunde schwer blessirt, in die Hände
des Feindes siel. wurde er in das nächste
piemontesische Feldspital gebracht und dort
der ärztlichen Pflege übergeben. St iber
pflegte im Felde, um für mögliche Fälle
nicht ohne etwas Geld zu sein, ein ledernes
Sackchen mit zehn Ducaten eingenäht,
auf bloßer Brust unter dem Hemde zu
tragen. Als im Spitale der Militärarzt
den Verband an der Wunde anlegte, be«
merkte er das lederne Säckchen, betastete
es, fühlte den Inhalt und war eben im
Begriffe, eS wegzuschneiden und zu rauben.
I n diesem Momente erwachte St iber
zum Bewußtsein und wollte schreien, da
stach ihm der Arzt das Meffrr ins Herz,
so daß er sogleich den Geist aufgab. I n
dem Zimmer, in welchem diese ruchlose
That geschah, befanden sich nur Schwer«
blessirte, größtentheils solche, die schon in
5er Agonie lagen, und so glaubte sich der
ruchlose Mörder unbeachtet; dem war
aber nicht so, ein piemontefischer, verwun«
det daliegender Sappeuc hatte den gan-
zen Vorgang bemerkt. Kaum genesen,
machte er die Anzeige bei General S o n»
n az. Dieser befahl die Exhumirung der
Leiche Stiber's und thatsächlich fand
sich die Stichwunde an dem nur mit Schußwunde ins Spital Gebrachten.
Sonnaz wollte den Arzt sogleich er»
spießen laffen, derselbe hatte sich aber bei
Zeiten aus dem Staube gemacht — und
man sah ihn niemals wieder. Nun ließ
der piemontesifche General einen feier-
lichen Trauergottesdienst veranstalten.
Stiber's Zeiche feierlichst mit allen mili»
tärischen Ehren und der dreimaligen
Ehrensalve bestatten, und das 14. pie-
montesische Regiment errichtete dann dem
Tapferen die oben erwähnte Grabsäule.
St iber , wie Eingangs bemerkt worden,
ein Zögling der Neuftadter Militar>Aka>
demie. war nicht nur einer der beliebte»
sten, sondern auch vorzüglichsten Ofsiciere
deS Regimentes, auch so zu sagen eine Art
Autodidakt. Außer einer eminenten
militärischen Ausbildung war er in allem
Wiffen zu Hause durch eigene Selbstbil-
düng, so besaß er reiche Kenntnisse in der
Astronomie, Montanistik und 3andwirth<
schaft, sprach und schrieb fertig deutsch,
französisch, englisch, italienisch, spanisch,
russisch, polnisch, ungarisch und böhmisch,
also in neun lebenden Sprachen. Ein
Curiysum, haS vormärzliche System voll«
kommen bezeichnend, sei hier erwähnt.
Ein von St ib er's Hand in die bestan»
dene SchelS'sche .Militär-Zeitschrift"
eingesandter Aufsatz lenkte die Aufmerk-
samkeitdes damaligen GeneralstabS»ChefS
Feldmarschall-IieutenantS Grafen Roth-
kirch sBd. XXVII, S. 108) auf den
Verfasser, so daß der General denselben
ohne weitere Prüfung in den General«
ftab. aufnehmen wollte. Aber ungeachtet
aller Mühe und deS Wunsches des Chefs,
scheiterte diese für Stiber 's Carriere so
günstige AuSfiicht nicht an dessen Kennt-
nifsen, nicht an seiner Unkenntniß zu
Pferde, denn er war nebstbei ein sehr
guter Reiter — aber an seiner Körper»
große, denn e in , sage ein Z o l l
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stehlik-Stietka, Band 38
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stehlik-Stietka
- Band
- 38
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 398
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon