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Stichlberger 34t Stich lberger
sucht, als er wieder in die väterliche
Werkstätte zurückkehren mußte, in welcher
alle seine Ideale und Zukunftsträume im
Kleistertopfe untergingen. Zum Glücke
nicht für immer. Mit Widerstreben fügte
sich der Jüngling diesem Gebote, aber
der einmal gesaete Samen ließ sich nicht
vollends ersticken. Er falzte und heftete
und band Bücher, aber er las und nur
mit mehr Wabl, mit größerer Aufmerk-
samkeit und bildete sich selbst geistig weiter
fort. Wie er selbst in einem Briefe an einen
seiner Gönner schreibt: er schöpfte aus
dem Jungbrunnen der Classiker und keine
wichtigere Erscheinung der neuen Litera»
tur entging ihm. Niemand ahnte, nur
die Mutter wußte es. daß hinter der
pappigen Schürze ein Dichterherz steckte.
Wir sagen, nur die Mutter, denn diese
war sein ganzes Lesepublicum, sie hatte
er, wie er schreibt; „gar viel mit seinen
Gedichten gequält". Nun war er siebzehn
Jahre alt geworden und als die Lehr-
jähre überstanden waren, sollte er auf die
Wanderung gehen. So schritt er denn
im Jahre 1858, den stattlichen Berliner
am Rücken, vor die Thore von Ratten-
berg hinaus in die Fremde, überschritt
die Grenze Tirols und kam nach Salz-
bürg, wo er einige Monate bei einem
Meister arbeitete; darauf ging er nach
Bayern, arbeitete wieder einige Monate
in München und von da kam er nach
Wien, wo er ein paar Jahre verweilte.
Diese Wanderung hatte ihn erfahrener,
reifer gemacht und auch das Dichtertalent
— denn vom „Dichtern" konnte er nun
einmal nicht lassen — gezeitigt. Doch
war dieses Sinniren in Wort und Reim
nunmehr zu einem stillen harmlosen Ver»
gnügen geworden; was er damals in
-sein Tagebuch niederschrieb, blieb indem«
selben verborgen, Niemand wußte von
seinem Schaffen, Niemand las er vor, was er in seinen Weihestunden schuf. Als aber
G. Obr is t — wohl ein Bruder des
Stanzer Gärtners HanS Obrist, der
im Jahre 1848 die zu Innsbruck im
Jahre 1830 wiedergedruckten Zeitbilder
„Zither und Pflug" veröffentlichte —
im Jahre 1865 die periodische Schrift
„Die Dorflinde" herauszugeben begann
und Stichlberger schon nach einigen
Nummern die Wahrnehmung mackte, daß
an diesem Blatte nur junge Kräfte aus
dem engeren Vateclande mitarbeiteten
und die Redaction bei Aufnahme der
Beitrage mit nicht zu großer Strenge
vorging, da beherzigte Stichlberger
weniger das erste als das zweite Wort
des Spruches „Wieg's! wag's! und ohne
erst sein Werk weiter zu erwägen, wagte
er defsen Einsendung und halte bald die
Freude, sich mit einer von ihm bearbeite-
ten Volkssage gedruckt zu sehen. So war
denn Stichelberger erst großjährig
und zu gleicher Zeit Schriftsteller gewor«
den. Das Eis war gebrochen, alles wei»
tere Bedenken war geschwunden und fortan
wanderten seine Arbeiten nach Wien.
Stuttgart, Leipzig. Gera und fanden
freundliche Aufnahme. Auf seinem Ar-
beitgtische, schreibt er an einen Freund,
lagen neben dem Kleistertopfe immer auck
Papier und Feder, so daß in dem Maße.
als eine zu bindende Bücherpartie ihrer
Vollendung entgegenging, auch eine No«
velle ihrem Schlüsse entgegenschritt. Neben
novellistischen Arbeiten veröffentlichte er
dann und wann im „Innsbmcker Tage-
blatt- Gedichte und politische und nicht
politische Korrespondenzen in Wiener
Blattern oder im „Tiroler Boten". End«
lich aber sollte die Stunde der Erlösung
von Heftlade und Preßbenael kommen,
als er im Juli 18?3 die Redaction der
„Bozener Zeitung" übernahm, zu der er
wiederholt und auf das Eindringlichste
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stehlik-Stietka, Band 38
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stehlik-Stietka
- Band
- 38
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 398
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon