Seite - 3 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Stifft-Streel, Band 39
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Stifft) Andreas (Schriftsteller) Stifft) Andreas (Schriftsteller)
durch irdischen Ungestüm gekränkt habe,
anderseits aber, daß dieser Vorfall
auch Anlaß zu völliger Vergeistigung
ihres Bundes wurde. I n Bezug auf
den letzteren Umstand schreibt er an
einer Stelle: „Ja. wir sollen Engel wer»
den, das ist das Höchste; Mann und
Jungfrau, ohne Gatten zusein, sollen
sich im Geist vermalen"; — und an
einer anderen Stelle: ,Nun ist der hei»
lige Augenblick eingetreten, wo der Geist
den Geist allein mehr liebt. Diese Nei«
gung ist nun unzerstörbar. Mir ist sie
nicht anders, als sei sie ein Sacrament,
das der Seele ein unauslöschliches Merk-
mal eindrückt. Jenes Hellsehen war eine
Communion, vielleicht eine Trauung."
Wir halten mit den weiteren Beleg»
stellen, welche alle denselben Charakter
an sich tragen, ein. Die Mahnung der
Hellseherin, die sie ihm immer wieder
vorhält: „Sei fromm, A n d r e a s",
äußert sich bald. als nicbt umsonst
gegeben, in seinem äußeren Verhalten.
Der 23jährige RecbtSbestiffene geht wo-
chentlich mehrmals zur Beichte und Com«
munion, hört täglich die h. Messe, betet
den Rosenkranz und empfiehlt sich dem
Schutze der Mutter GotteS und anderen
Heiligen; er will sich geißeln und an
Freitagen ein härenes Gewand tragen;
mit dem Iesukindlein im Arme fährt er
nach Schönbrunn; die Glossen seiner
Bekannten und Anderer kümmern ihn
nicht, er verrichtet seine Andachtsübun»
gen, wahrender sich für die Rigorosen
vorbereitet. In dieser Wrise geht es fort,
und wie auch der Umschwung der Zeit
immer dröhnender und gewaltiger wird,
er erfaßt wohl auch ihn. ja er reißt ihn
so zu sagen mit sich fort, so daß der
junge S t i f f t im Bewegungsjahre
4848 unter den Radicalen alsbald einer
der Radikalsten ist, aber er ändert ihn nicht im Innenleben; im Gegentheil,
w i e S t i f f t auch im öffentlichen Leben
mit einer Furchtlosigkeit und mit dem
Muthe eineS geistigen Bayard auftrat,
in seinem Innenleben ist er sich gleich
geblieben, er wallfahrtet wie sonst zu
seiner geistigen Freundin, und zwar
wenn sie in Wien lebt, taglich, wenn sie
auf dem Lande wohnt, wöchentlich und
füllt die Zeit der Trennung fleißig mit
Briefen aus. Und diese Briefe tragen
noch in seinen letzten Lebensjahren, als
die Seherin bereits eine hocbbet.^gte Ma-
trone war, denselben Geist phantastischer
und religiöser Ueberschwenglichke.it, wie
in seinen jungen Jahren. Wenn wir uns
diesen Seelenzustand S t i f f t's vor
Augen halten, so werden wir seine
Handlungen und geistigen Arbeiten zwar
nicht rechtfertigen können, auch dadurch
noch nicht zum vollen Verständniß dri>
selben gelangen, aber wir werden im
Ganzen sein eigenthümliches Wesen leich.
ter begreifen und ein milderes Urtheil
über den genialen Sonderling fällen,
den seine schreibenden Collegen bereits
einen Narren schalten, als seine Leiche
noch nicht erkaltet war, und im Nach«
rufe mit einer Rücksichtslosigkeit behan-
dellen, die er ganz und gar nicN.
am wenigsten aber als ihr schreibender
Mitbruder und als Mitglied der Gesell-
schaft verdient, welche sie gebildet, und
der er seit ihrem Bestände angehörte.
Kehren wir nun nach dieser. für das
bessere Verständniß seines sonderbaren
Wesens nothwendig gewesenen Ab-
schweifung zur weiteren Darstellung sei«
neS Lebens zurück. S t i f f t war also
nach beendeten Studien als Auscultant
der niederösterreichischen Landrechte in die
Rechtspraxis eingetreten. In derselben
diente er unter den bezeichneten Verhält«
nissen bis zu dem Sturmjahre 4848, in
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Band 39
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stifft-Streel
- Band
- 39
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 400
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon