Seite - 16 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Stifft-Streel, Band 39
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Stifter Stifter
vor Allen anzog und Goethe noch
kalt ließ, wahrend in reiferen Jahren
Goethe an Schiller'S Platz trat.
eine Wandlung, die sich mit der Er«
kenntniß, daß daS Ideale in unserer ma-
teriellen Zeit sich nur schwer eine Statte
erobert. leider in vielen Dichtergemü«
thern vollziehen mag. Aber auch die
Ritter- und Räuber-Literatur von Spieß
M . XXXVI. S. 136) und Kramer,
welche Frau StiftSamtmann M a y e r
mit großer Vorliebe hegte und pflegte,
blieb St i f ter nicht fremd und erfüllte
ihn mit jenen Schauern, die scdon
manches jugendliche Gemüth bei dilser
Leclüre empfunden. An Anregung zu
eigenem Schaffen fehlte eS ihm in der
trefflichen Stiftsschule gleichfalls uickt.
Professor Reisä>l gab einmal zur Be«
arbeitunq in Iamben daS Thema, das
sich auf die Gründung deS Stiles
Kremsmünster bezieht, welcde bekannt«
lich durch Herzog Thassilo zur Erin«
nerung an seinen Sohn, der hier bei
einer I^gd durcd einen Eber ums Leben
kam. stattfand. ,DaS Freudenfest am
Trauerdenkmale" betitelte sich die Ar»
beit, welche die Zöglinge einzuliefern
hatten, und die beste war jene St i f«
ter'S, die als Motto den Spruch von
HegesippuS trug: „vuloo est, intsi-
m^oruin vei-Zgl-i ^abitÄcnIa. «t vsts-
rum äiota. fHcta^uo reoeu.86r6 merno-
ria", welchen er später seiner „Mappe
meines Urgroßvaters" voransktzte. Doch
bis dahin sattelte St i f ter den Pegasus
nur auf Commando seiner Professoren.
auS eigenem Antrieb bestieg er den
Hippoglyph erst in den philosophischen
Studien, aber diese Ausflüge WS Reich
der Phantasie erfolgten so heimlich, daß
weder seine Lehrer noch seine Kameraden
davon eine Aknung hatten. Es soll auch
keine Zeile aus jenen Tagen sich erhalten! haben. Als es nun galt, einen Lebens«
beruf sich zu wählen, entschied sich S.
für das juridische Studium, nach dessen
Vollendung er die Beamtenlaufbahn ein«
zuschlagen gedachte, und begab fich dem«
nach im Ichre l826. damals 2l Jahre
alt. nach Wien. Wie schon in KremS-
münster. erwarb er fick auch in Wien
durch Utiterricbtertheilen seinen Lebens»
unterhalt. Er besuchte nun die juridi»
schen Collegien. ab«r mit mehr Eifer
und Vorliebe trieb er unter Baum»
g a r tner. EttingShausen und 3 i t«
t r o w Naturlehre. Mathematik und
Astronomie. Auch besuchte er in Wien
das Theater, daS ihm mit den dama»
ligen Künstlern wie A nschütz. Coste«
noble, Heurt eur. LaRoche, Korn.
Wi lhe lmi und den Frauen Julie
Gley. nachmaligen Rettich. Sophie
Müller. Sophie Schröder unge»
ahnte Genüsse bot. Indessen verschob er
den Eintritt in ein öffentliches Amt. nach«
dem er die juridischen Studien beendet,
von Tag zu Tag und lebte noch immer
von seinen Unterrichtsstunden, die ihm
freilich, da er insbesondere in ange»
sehenen Familien sehr gesuckt war, nicht
fehlten. Er. malte auch in dieser Zeit
ziemlich viel, mit altgewohnter Sauber«
keit und jenem Detail, daS wir später
in seinen Dichtungen bewundern lernten.
Er that sich aber darin nie selbst genug,
und so verschwanden viele dieser Bilder.
Was er mit ihnen gemacht, ist nicht be>
kanntgeworden. Allem Anscheinenach hat
er fie.gar verbrannt. S. war gesellig, er
verkehrte gern mit gleichgesinnten Stre-
benden, deren eS im Vormärz in Wien die
Hülle und Fülle gab, wovon ein kleiner
Kreis sich täglich Abends im Gasthof zur
»Kleinen Weiniraube" am Hof einfand,
und wo St i f ter häufig anzutreffen
war und als heiterer Gesellschafter galt.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Band 39
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stifft-Streel
- Band
- 39
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 400
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon