Seite - 18 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Stifft-Streel, Band 39
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Stifter Stifter
Schwarzenberggarten seinen dichterischen
Gedanken Audienz gegeben und diesel-
ben mit Bleifeder niedergeschrieben. Nun
machte er einen Besuch bei der Baronin
Mink. n. A. Münk. wo die Tochter
derselben. I d a , aus S.'S Rocktasche
unbemerkt eine Papierrolle hervorzog,
darin eine Weile las und dieselbe mit
dem Ausrufe: „Mama, Mama! da stiegt
ein Fräulein in die 3uft. St i f te r ist
ein heimlicher Dichter!" der Mutter hin»
überreichte. Nun war es heraus. Stif«
ter mußte vorlesen, und die Baronin
machte weiter keine Umstände, sondern
schickte das Manuscript anW.itthaue r,
den Redacteur der „Wiener Zeitschrift",
des damals geachtetsten schöngeistigen
Blattes in der Residenz. So eröffnete
„Der Condor" den Reigen der dichteri»
schen Schöpfungen S.'s, deren chrono»
logische Folge auf Seite 27 angegeben
ist. Es folgten sich nun in längeren und
kürzeren Zeiträumen mehrere und rich.
teten schon damals, da sie vereinzelt er-
schienen , durch ihre Eigenart die Auf«
merksamkeit auf den Dichter, welche
freilich einen ganz anderen, von Seite
der Leser wie der Kritik geradezu bewun«
dernden Charakter annahm, als diesel>
ben im Jahre 1844 in den ersten zwei
Bänden seiner „Studien" gesammelt
in die Welt traten. Während die Kritik
eine Lobesfanfare um die andere in die
Welt stieß, verharrte der Dichter in sei»
ner bisherigen bescheidenm privaten
Stellung als Lehrer oder als Vorleser,
freilich mitunter in den höchsten Fami-
lien der Residenz, so unter anderen bei
der Fürstin Schwarzenberg, Mutter
des Feldmarschalls, bei dem Fürsten M o t>
ternich, wo der Sohn Richard, der
nachmalige Gesandte in Paris, sein Zög«
ling war. Auch verkehrte er sonst in
höheren und gebildeten Kreisen, wie im Hause der Baronin P ere i ra, in wel«
chem er Z e d l i t z und durch diesen
Gr i l lparzer kennen lernte, in der
Familie C o l l i n, deren berühmtester
Sproß Heinrich Joseph Co l l i n erst in
jüngster Zeit in Ferdinand Laban sei»
nen begeisterten Biographen fand, und
in jener des berühmten Augenarztes
Friedrich Jäger sBd. X, S. 36^>, den
er als Hausarzt bei dem Fürsien M e t»
ternich kennen gelernt hatte. Auch
brachte ihn dje Herausgabe seiner „Stu-
dien" seinem Verleger, dem feinfühligen
und um Oesterreichs poetischen Verlag so
verdienten Buchhändler Heckenast in
Pesth immer näher und näher, bis sich
zwischen Dichter und Herausgeber ein
inniges freundschaftliches Band gestaltete,
wie etwa ein ähnliches seinerzeit zwi«
schen Schil ler und Cot ta. Der außer«
ordentliche Erfolg seiner „Studien", wel>
cher sich
mit jedem Tage steigerte, rüttelte
aber nicht an der Bescheidenheit des
liebenswürdigen Dichters, der nicht An«
stand nahm. in einem Briefe zu bekennen:
„Es ist möglich, daß die Leser mich
mit Lob beschämen, wie bei den ersten
Bänden, aber dann rührt eS einzig da«
von her, daß sie nicht wissen, wie Alles
hätte werden sollen, aber ich weiß eS
und sehe die Kluft beständig offen."
Ueber seine häuslichen Verhältnisse in
jener Zeit, über sein gemüthliches Still»
leben mit der schönen jungen Frau, über
sein künstlerisches Schaffen, auf welches
wir weiter unten noch zurückkommen,
gibt Emei ich Ranzoni in einem Bei«
trage zur persönlichen Charakteristik des
Dichters, welcher im „Concordia«Kalen«
der" abgedruckt erschien, eine wohlge»
zeichnete Studie, die unS den Dichter in
seinem Wesen und Walten ebenso treu
als anschaulich schildert. Es ist dies auch
der einzige Beitrag über S t i f t e r , der
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Band 39
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stifft-Streel
- Band
- 39
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 400
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon