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den Dichter unserem Verständnisse naher
bringt. Einen SommerauSstug im Jahre
4843 abgerechnet, in welchem er Ober-
Österreich und seine Heimat Oberplan
besucht hatte, lebte er die Jahre hin-
durch in Wien, gab Unterricht, beschäf-
tigte sich mit den Naturwissenschaften
und nebenbei auch mit Geschichte und den
StaatSwiffenschaften; auch schuf er —
aber immer langsam — ein und daS
andere Kunstwerk, so „Die Schwestern".
— „Der Waldgänger",— „Procopus".
Den Sommer 1847 verlebte er in 3inz,
wo sein Bruder A n t o n in einem
größeren Bauernhofe jenseits der Do-
nau einen schwunghaften Lederhandel
betrieb. I n jenen Tagen besuchte er
auch sein geliebtes KremSmünster. wo
er im Kreise seiner einstigen Lehrer die
Studienjahre im Geiste wieder durch»
lebte. Von seinen „Studien" waren be-
reits vier Bande erschienen und sein
Dichterruhm war begründet, freilich nicht
so mächtig, daß er ihm zu einer Lehr»
kanzel verholfen hätte. Die damalige
Studien-Hofcommission hatte auf Alles,
was dichtete und schriftstellerte, ein
scharfes Auge, und Beides galt gerade
nickt als Empfehlung. K u r a n d a's
„Grenzboten", die damals über Oester-
reich Alles belichteten, was man im
Lande selbst nicht hören durfte, erzählen
unS, daß S t i f t e r in jenen Tagen den
Gedanken faßte, eine Reihe öffentlicher
Vorträge über Literatur und Kunst zu hal»
ten, und mit großem Eifer die nöthigen
Einleitungen dazu traf. Die Sache hätte
sich, nach Johannes Ap rent's Bericht,
immer aufs neue hinausgeschoben, bis sie
in den Wirren des Jahres 1848 unter«
gegangen. Dem ist aber nicht so. Die
besser unterrichteten „Grenzboten" er»
zahlen vielmehr, daß die philosophische
Zacultät auf St i f ter 's Ansuchen, ästhe- tische Vorlesungen für Damen an der
Universität zu halten, ablehnend ein«
gerathen habe. indem das von S t i f-
te r vorgelegte Programm als ein völ-
lig unsystematisches und verworrenes
von der Studien-Hofcommission bezeich'
net wurde. Man sieht, die Geschichte
mit dem Caplan, der den Knaben S ti f»
t e r für talentlos erklärte, auS dem
nie etwas werden würde, wiederholte
sich an dem 42jährigen Mann, der, seit
Jahren Lehrer und Erzieher und als
solcher ebenso beliebt als gesucht, von
hoher Behörde als unreif und unge-
eignet zu öffentlichen Vorträgen ab-
schlägig beschieden wurde l Nach diesem
amtlichen Bescheide war S. nicht einmal
für Damen-Vorträge verwendbar'. Und
was hat der spätere Schulrath St i f ter
nicht Alles geleistet! — Unter solchen
Verhältnissen kam das Sturmjahr 1848
heran. Hatte auch St i f te r bei der
Eigenart und Unverfänglichkeit seiner
dichterischen Arbeiten von Seite der
Polizei und Censur nie zu leiden ge«
habt und ihn sein Verkehr gerade mit
Familien, welche die Bewegung mit
Mißtrauen betrachteten, näher zusammen
gebracht, so vergaß er doch keinen
Augenblick, daß der Dichter über den
Parteien stehe, und begrüßte die ersten
Bewegungen der heranbrechenden neuen
Zeit mit lebhafter aufrichtiger Freude.
Noch im April g. I., als eine Partei
ecbter Patrioten die „Constitutionelle
Donau «Zeitung" gründete, welche am
I.April das erste Mal erschien, finden
wir S t i f te r unter den Mitarbeitern
des Blattes, das schon in der zweiten
Nummer dessen Aufsatz „Ueber Stand
und Würde des Schriftstellers" brachte,
der in Nr. 7 schloß. Aber nur wenige
Tage über drei Monate hielt sich das
Blatt. Die Bewegung m Wien wucks
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Band 39
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stifft-Streel
- Band
- 39
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 400
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon