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Stöcke^ Matthäus Stockel
sich in der Schänke. Da ruft sie der Pfar>
rer auf. ihm zu helfen, berichtet ihnen,
wie ihm Gewalt angethan, wie er um
des reinen Wortes Gottes willen miß>
handelt worden, und fordert sie auf. ihn zu
befreien. Das lassen sich die Bauern nich
zweimal sagen, sie befreien den Priester von
seinen Banden, entreißen ihn den Soldaten.
und an der Spitze der Befreier stand der
Bauer Mat thäus Stockt. Dieser aber
wurde das Opfer seiner That. Man hatte
sich leiner bemächtigt, ihn durch das rück»
wärtige Schloßthor in der Veste Hohen»
Salzburg in festen Gewahrsam gebracht
nach kurzem Verhör verurtheilt und schon
am nächsten Tage auf dem öffentlichen Richt,
platze enthauptet. Das war die Losung
zu einem Aufstande, den die Freunde und
Verwandten des Enthaupteten im ganzen
Lande erregten. Die Bewohner der umlie>
aenden Berge und Thäler, das ganze Pinz»
gau erhob sich und griff zu den Waffen wider
die „unbarmherzigen Meßpfassen zur Ret
tung der Unschuld und zum Schutze deS
reinen Wortes Gottes". So wurde denn
vom Mai 1825 ab der Erzbischof mit seinen
Räthen in der Veste Hohen»Salzbura bela.
gert. Des Enthaupteten Stöckl Bruder ließ
auf die Häuser der vornehmsten Domherren
und fürstlichen Rätbe Zettel mit den Worten
kleben: „Dieses Haus ist mein, bis der Tod
meineS unschuldigen Bruders gerächt wird".
Der Aufstand nahm so überHand, daß Sigis.
mund von Dietr ich st ein. Landeshaupt«
mann in Steiermark. zur Bewältigung der
Aufrührer entsendet werden mußte. Indessen
wuchs der Aufstand immer mehr und wurde
«anz ernstlich organisirt. Der Erzbischof in
seiner Noth wendete sich an den schwäbischen
Bund um Hilfe, und Herzog Ludwig von
Bayern mit Freundsberg und Löffel.
holz stellten sich an die Spitze deS von dem
schwäbischen Bunde beigestellten 8000 Mann
ftarten Contingentes. Ehe es jedoch zum
-Losschlagen kam, wurden Verhandlungen
-angebahnt, in denen zuletzt die Bauern ganz
-erträgliche Zugeständnisse erhielten. Als aber
der Vertrag hierüber dem Erzherzog Ferdi .
nand zur Genehmigung vorgelegt wurde.
verweigerte dieser nicht nur dieselbe, sondern
verlangte, daß dem Rechte Genüge geschehe
und die Bauernrebellen zur Verantwortung
gezogen würden. So begannen die Wirren
von Neuem. Erst nachdem von allen Seiten
Kriegshilfe aufgeboten worden und aus Steiermart vier Fahnen, von schwäbischen
Bundessoldaten noch acht Fahnen angerückt
waren, gelang es dem Erzbischofe im Herbst
1326 den Aufstand zu bewältigen und die
Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Siehe
die untenbenannte Quelle, welche über diese
denkwürdigen Ereignisse ausführlich und nach
geschichtlichen Documenten berichtet. Das
Salzburger Museum darolino-^uFULteum
enthält (Katalog Nr. 228) ein Bildniß deS
Bauernrebellen Stöckl , über dessen Authen«
ticität jedoch dem Herausgeber alle Angaben
fehlen. Gauner (Judas Thaddäus), Chro«
nil von Salzburg (Salzburg 1793, Duyle,
8a.) Bd. IV, S. 380—156 und Bd. V,
S. l-109.) — 4. Stöckel, der Wiener
VoltSsänger. eine zeitgenössische Specialität
des auf dem Aussterbeetat stehenden Urwie.
nerthums, über welch' beide uns Friedrich
Schlögl in seinem sensationellen Buche
„Wiener Blut" so, pikante Aufschlüsse liefert.
Stöckel's Devise ist. wie unS Sch lög l
meldet: „Nur tan' Schenirer!", worauS wir
auf den Charakter seiner Deklamationen und
Recitationen schließen können. I n der That
nennt er auck die Dinge bei ihren wahren,
wennauch oft — übelriechendsten Namen; er
verhüllt auch die Zote nicht, er entzieht ihr
selbst das nothdürftigste Gewand und schleu«
dert sie hinaus unter seine lachenden Zuhörer
und kichernden Zuhörerinen. Doch ist sein
Publicum kein solches, ons nur der Zote
wegen kommt, es ist nicht aus Demimonde
retrutirt, im Gegentheil, eS ist der „untere"
Bütgerstand, der tagüber gearbeitet und
Abends ein paar Stunden lachen wil l : der
Geselle, der mit „ihr" kommt, wenn sie ihren
AuSgang hat u. s. w. Stücket selbst ist ein
Urwiener und Sohn eines seinerzeit viel»
beliebt gewesenen VollüjüngerS; er kennt die
eleusischen Geheimnisse des Volkssänaer«
thums, Wien und das Wiener Leben wie
Wenige. Seine Vortragsweise ist originell.
Während sein Vater .mit dem „dünnsten"
Tadaol. Stimmchen die harmlosesten Lieder
zum Besten gab und wie ein krankes „Zei<
serl" sein bekanntes „Von Hiehing tum l her.
hab fast lan Alh'm mehr" mühselig zwitscherte,
schnarrt sein Sohn — der jetzt auch
schon den Sechzigern nahe sein mag — in
gellendster Weise die uerfehmtesten Reime
herab und schaut sich dabei mit den mali'
tiösesten Augen die Wirkung an. welche die
gleich einem Gußregen aug seinem Munde
heroorschießenden, für andere Menschen un<
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Band 39
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stifft-Streel
- Band
- 39
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 400
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon