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sich der Architectur, Sie haben das
Zeug dazu", mahnte er den iungen
Künstler. Dessen Bedenken. daß er,
neunzehn Jahre alt, eine neue Lauf-
bahn, für welche ihm nahezu alle
Vorbedingungen fehlten, ohne Mit«
tel kaum wagen könne einzuschlagen,
begegnete V a n der N u l l mit dem
Antrage, ihm eine Stellung in seinem
Atelier zu geben, welche ihm einer«
seitS die Subsistenzmittel, andererseits
zugleich die Möglichkeit biete, sich
neuen Studien nun unbehindert hin»
geben zu können. Ueberglücklich nahm
Sto rck dieses Anerbieten an. Dieser
Episode aus seinem Leben wird des-
halb hier gedacht, weil sie den ent«
scheidendsten Einstuß auf seine künst«
lerische Entwicklung und überhaupt auf
seine Zukunft nahm. Er erzählt sie
heute und immer wieder, weil Dank«
barkeit ihn drängt. deS Mannes zu
gedenken, dessen Großherzigkeit ihm die
neue Bahn seines künstlerischen Schaf«
fenS eröffnete. Mit Lust und Eifer
warf er sich nun auf das Studium
der Arckitectur, namentlich aber auf
den rein künstlerischen decorativen Theil
derselben. Sowohl seine Neigung als
auch seine mannigfaltigen Vorstudien
wiesen ihn zunächst dahin. und die
Arbeiten der gesammten inneren deco«
rativen Ausstattung der neuen Alt«
lerchenfelder Kirche, welche unter der
Leitung V a n de r Nu l l ' s auS«
geführt wurden, boten ihm ein weites
Feld, welches nahezu das Gesammt»
gebiet sowohl der decorativen Architectur
als auch der Kunstindustrie umfaßte. Fer«
ner erschloß sich ihm in einer Reihe von
nach Van der Nüll 's Angabe auS«
geführten Arbeiten der Kleinkunst, unter
denen die reichen Einbände (ein Geschenk
Seiner Majestät des Kaisers an die Kö- nigin V ic tor ia) , eine ganze Suite von
Kassetten, EnveloppeS, das Gebetbuch
für Ihre Majestät die Kaiserin (ein Ge>
schenk der Akademie) genannt seien, daS
Gesammtgebiet der Kunstindustrie, ein
Gebiet, welches damals fast allein von
V a n d e r N ü l l gepflegt wurde,
dessen eminente Begabung den Keim
legte zur späteren, durch glückliche Ver-
hältnisse begünstigten raschen Entwick-
lung der Kunsiindustrie in Oesterreich.
Im Jahre 1862 in der Akademie zum
Supplenten V a n d e r N ü l l's für
ornamentales Zeichnen ernannt, über«
nahm S t o r c k 1866 die Docentur
für Ornamentik an der technischen Hoch-
schule. Nach dem im Jahre 1867 erfolg,
ten Tode V a n d e r N ü l l's und
dessen Collegen S i c a r d von S i c>
c a r d s b u r g sBand XXXIV, Seite
204) wurde ihm zugleich mit seinem
Berufsgenoffen Gug i t z die Vollen«
düng deS inneren Ausbaues deS Hof-
OperntheaterS übertragen, an dessen
decorativer innerer Ausstattung er übn«
genS schon von Anfang an thätig
gewesen. Im Jahre 1868 erfolgte seine
Berufung als Director und Professor für
Architectur an der Kunftgewerbeschule
des k. k. österreichischen MuseumS für
Kunst und Industrie, in welcher Eigen«
schaft er zur Stunde noch thätig ist.
Seit feinem Eintritte in die genannte
Schule hat er sich der kunstgewerb«
ticken Richtung sowohl als Lehrer wie
als ausübender Künstler nahezu aus«
schließlich zugewendet. Seine Stellung
gewährte ihm dabei auch reichlich Ge«
legenheit, in organisatorischer Hinsicht
cm der Schöpfung deS in Oesterreich auf»
blühenden kunstgewerblichen Unterrichts«
Wesens theilzunehmen, indem daS k. k.
Handelsministerium ihn als Mitglied in
den artistischen Aufsichtsrath berief und
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Band 39
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stifft-Streel
- Band
- 39
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 400
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon