Seite - 212 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Stifft-Streel, Band 39
Bild der Seite - 212 -
Text der Seite - 212 -
Strachuber 212 Straehuber
Holzschnitte vielleicht mehr angezeigt ge>
wesen wcne. Diese Radirung hat ein
nicht ganz uninteressante Geschichte. El
war Straehu ber's erster Versuch die»
ser Art. Von der genannten Anstall
wurde ihm die grundirte Kupferplatt!
geliefert. Nach mehrwöchentlicher Arbei
verdarb dieselbe beim Aetzen mit einem
Male, indem sich beim Ausgießen des
ScreidewafserS der ganze Grund mi
der Zeichnung von der Platte löste und
oben schwamm. Das Unglück war ge«
schehen. aber nun galt es, herauszube«
kommen, ob der schwarze Grund, mit
welchem dem Künstler die Kupferplatt»
geliefert worden, oder das von ihm ver<
wendete Scheidewaffer an der Kata»
ftrophe Schuld trug. Straehuber
radirte auf eine andere, bedeutend klei«
nere Platte eine eigene, den „Racheengel"
aus der Bibel darstellende Zeichnung,
welche er mit demsclben Scheidewaffer
ätzte, und zwar mit vortrefflichem Erfolge.
Die Ursache der Katastrophe lag also an
der Grundirung der ihm überlieferten
Platte und nicht an seinem Scheide
waffer. Auf einer zweiten, gut grun>
dirten Platte führte dann der Künstler
erstere Radirung auch anstandslos aus,
und diese eben ist die in der genannten
Kunstanstalt erschienene. „Der Rache«
engel" aber, den er zum Nachweise ge«
stochen, worin der Grund des Fehl-
schlagens der ersten Radirung zu suchen
sei, ist nur in einem im Besitze des Kunst,
lers befindlichen Exemplare vorhanden
und somit ein wahres Nnicum. I n jung»
fter Zeit erst wurdew die Verdienste des
Künstlers von seinem Könige durch Ver«
lcihung des Ritterkreuzes deS Ordens
vom h. Michael gewürdigt. Wenn wir
seine künstlerische Thätigkeit in Worten
zusammenfassen, so müssen wir vor
allem betonen, daß er ein eminenter Zeichner, von dem schon Nagler im
Jahre 1847. also vor mehr als dreißig
Jahren, schrieb, daß „seine Zeichnun»
gen zu den geistreichsten Erzeugnissen
der neueren deutschen Kunst gehören".
Dessen sich vollkommen bewußt, pflegte
er denn auch. wenn- es nur irgend
möglich war. seine Zeichnungen und
Skizzen immer selbst auf den Holzstock
zu übertragen, damit beim Schnitte die
geistreiche mid formvollendete BeHand«
lung der Komposition so wenig als mög«
lich verliere, ein Umstand, der wohl zu
beherzigen ist, wenn man gewahrt, wie
oft Künstler ihre im Holzschnitte repro«
ducirten Werke nicht wieder erkennen, da
der Xylograph dieselben unbarmherzig
verstümmelt. Aber nicht blos in der
Formvollendung der Zeichnung steht S.
als hervorragender Meister da; auch seine
große Ersindungsgabe reiht ihn den ersten
Künstlern der Zeit an; seine Zeichnun«
gen zu Luther'S „Geistlichen Liedern"
und zur „Bibel" bekunden diese Gabe.
sowie tiefes Gefühl für Schönheit und
Anmuth und fast an Naivität streifende
Kindlichkeit des Gedankens. Wenn sein
Name bisher im großen Publicum weni-
ger gekannt, so entspringt dieö aus dem
Umstände, daß man seinen Arbeiten fast
nie in. den Ausstellungssälen begegnete,
n den Künstlerkreisen und in der stilleren,
aber feinfühligen Gemeinde der echten
Kunstfreunde dagegen gilt S. als ein
Meister ersten Ranges, als ein Künstler,
vor dem die Muse sich nicht verhüllt,
sondern zu welchem sie leuchtenden Auges
lickt, als wollte sie sagen: „Einer meiner
delsten, begabtesten Jünger, dem eS zwar
nicht gegönnt war, Großes zu schaffen,
er aber i i Allem, was er schuf, groß ist".
Straehuber verheiratete sich im Mai
1844 mit Magda lena, der Tochter
es königlich bayerischen Hofmusicus
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Band 39
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stifft-Streel
- Band
- 39
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 400
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon