Seite - 268 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Stifft-Streel, Band 39
Bild der Seite - 268 -
Text der Seite - 268 -
Straßer, Alois 268 Straße^ Alois
samkeit gefolgt, aber sein Biograph in
der „Allgemeinen Zeitung" meint denn
doch, daß trotz hoher Stellung und
Ehre Amtsstube und Parlamentshaus
für St raß e r's Geist nicht eine eigent>
lich heimische Statte waren. Der
Echwerpunct seines Wesens zog uack
einer anderen Richtung. Vom Haus
aus heiteren Sinnes, theilnahmsvoll,
wohlwollend, hing er mit ganzer Seele
am Volke, dessen Dichten und Trachten
ihn seit jungen Jahren erfüllte, in dessen
Dörfern und Hochthälern er sich am
meisten heimisch fühlte. Ueber die Sir«
ten und Bräuche, über die Gewohnhei-
ten und Eigenthümlichkeiten bei den Fe>
sten der einzelnen Dörfer und Gemein-
den wußte Niemond besser Bescheid als
der „Herr Rath", wie man ihn zu nen>
nen liebte. Auf alle Offenbarungen des
Volksgeistes hatte er von jungen Iah»
ren her sein Augenmerk gerichtet und
bewahrte, wie es in seinem Nachrufe
heißt, ,in treuer Erinnerung einen leben«
digen Schatz von volksthümlichen Sir-
ten und Gebrauchen, von Bauerntragö«
dien und ländlichen Satyrspielen, von
rührenden Liedern und kecken Schnader«
hüpfeln. von Anekdoten und Sagen".
I n früheren Jahren war er auch schrift»
stellerisch thätig und nahm für seine No«
vellen den Stoff aus dem Leben und
Dichten des Volkes, mit dem er durch
tausend Faden zusammenhing. Und kein
Geringerer als C. S t e u b . der dem
dahingeschiedenen Freunde in seinem
«Herbftausfiug nach Tirol" ein ehrendes
Freundesdenkmal sehte, bezeichnet S.'S
Novellen als so .vortrefflich", daß sie
gesammelt zu werden verdienten. I n
feinem schriftlichen Nachlaß fand sich
eine Sammlung von alten tirolischen
Volksschauspielen. Anekdoten und Ein.
zelzügen aus dem Jahre 4809 u. d. m. vor. I n religiöser Hinsicht verband er
mit echter Frömmigkeit die humanste
Duldsamkeit, und daher traf ihn
umso schwerer der lärmende Hader, der
in letzter Zeit aus der von gewisser
Seite geschürten Unduldsamkeit in dem
schönen Tirol entsprang. Dieser Geist der
Intoleranz vergiftete ihm auch die Ruhe
der letzten Lebensjahre. Als Bürger»
meister der Stadt Hall war er auf das
regste bemüht, dem gesunkenen Wohl»
stand derselben wieder aufzuhelfen und
hatte mit einem erfahrenen Ingenieur
den Plan besprochen und ausgearbeitet,
in Hall ein großes Soolbad auf Ac»
tien zu errichten. Alles ließ sich gut an,
und daS Unternehmen würde gewiß zum
angestrebten Ziele geführt haben, wenn
nicht ein elericales Mitglied des Stadt»
ratheS die Einwendung erhoben hätte,
ein solches Unternehmen werde nur die
Unsittlichkeit befördern und — Prote-
stauten inS Land ziehen. Das Losungs»
wort war gesprochen, und nun begann
der Krieg der Glaubenspartei gegen die«
ses harmlose und so gut gemeinte Pro»
jecr. Offen und heimlich wurde dagegen
gearbeitet, und S t r a ß e r mußte es
fallen lassen. Und wenn ihn schon dieS
verstimmte, so empfand er noch leb»
haftere Betrübniß bei dem Gedanken,
daß bei solchen Verhältnissen, bei der
Möglichkeit confessionelle Bedenken in
jeder beliebigen Angelegenheit zu erheben,
in Tirol, dessen Aufschwung im Volks«
wirthschaftlichen Gebiete eben so möglich
als dringend geboten, vorderhand jedeS
größere Unternehmen unausführbar sei.
Wie er sein Vaterland liebte, dafür
sprechen seine letztwilligen Anordnungen.
Sein Vermögen von 40.000 ft. wid«
mete er wohlthatigen Zwecken. Zwei
Stipendien, eineS für das Gymnasium,
das andere für einen Techniker aus dem
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Band 39
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stifft-Streel
- Band
- 39
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 400
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon