Seite - 272 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Stifft-Streel, Band 39
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Straße^ Joseph 272 Straßer, Joseph
dersfarbigen Körper in abwechselnder
Krystallform nahmen sich wle große Edel
steine aus. Mit solchen falschen Steinen
schmückte eines TageS Joseph S t ra
tz e r Frau und Töchter, um sie auf
eine Tanzbelustigung in dem beliebten
Saal zur „Mehlgrube" zu führen, wo
dergleichen Unterhaltungen stattzufinden
pflegten. Die Familie erregte aber gro«
ßes Aufsehen durch ihr schimmerndes
Geschmeide, in welchem man echtes
Edelgestein vermuthete, und als sie nach
einigen Stunden des Ballvergnügens
den Saal verlassen wollte, stellte sich
ihr ein Mann mit der wenig erfreu»
lichen Mittheilung entgegen, daß Stra«
ßer sein Gefangener sei. Dergleichen
unmotivirte Eingriffe in die persönliche
Freiheit waren in den Tagen des vor
maligen Polizeistaates weder ungewöhn
lich. nock für das große Publicum be
fremdend, nur für den Einzelnen, der
davon betroffen wurde, ungemüthlich
und oft auch folgenreich. Kurz. Stra-
ßer wurde verhaftet. Der Schmuck
hatte den Argwohn der Behörde erregt,
sie hielt ihn für echt und S t r a ß e r
für verdächtig, daß er auf unerlaub«
tem Wege in dessen Besitz gelangt sei.
I « Verlaufe der Untersuchung stellte
sich der eigentliche Sachverhalt heraus,
und S t r a ß e r kam ohne weiteres
Ungemach als das der überstandenen
Haft davon. Als ihm feine Freiheit an-
gekündet wurde, erhielt er den Befehl,
sich dem Kaiser vorzustellen. ES waren
nämlich die Steine, welche noch mehr
Bewunderung erregten, nachdem man
erfahren hatte, daß sie nicht echt. son-
dern Erzeugnisse S traßer's seien, auf
Befehl des Kaisers Franz Stephan
diesem selbst vorgelegt worden. Bekannt
ist, wie den Kaiser das Studium der Edel.
steine interessirte und wie durch den vor seinen Augen gemachten Versuch, aus
zwei kleinen Diamanten einen größeren
herzustellen, die Gewißheit gewonnen
wurde, daß der Diamant auS reinem
Kohlenstoff bestche. Es kann daher nicht
Wunder nehmen, daß den Monarchen
Straßer's Steine leb haft interessirten,
und er Auftrag gegeben hatte, daß der
freigelassene Straßer sich ihm vorstelle.
Als dieser vor dem Kaiser erschien, fand
er denselben im Familienkreise eben mit
seinen falschen Edelsteinen beschäftigt.
Der Monarch sprach dem erstaunten
S t r a ß e r seine Bewunderung über
die Erfindung aus', die Kaiserin aber
ließ ihm eine ansehnliche Summe dafür
auszahlen und rieth ihm, damit Ge»
schafte nach dem Auslande zu machen,
wo gewiß die Steine verdiente Würdi-
gung fanden. Eine grünfarbige Gat»
tung dieser Steine, von welcder ein be«
sonders großer gleichfalls im Fenster der
ebenerdigen Wohnung des Erfinders auf«
gelegt war, fesselte vor allen anderen die
Aufmerksamkeit eines Fremden. der in
Abwesenheit S t r a ß e r's mit dessen
Frau und Töchtern deS grünen Stei»
nes wegen unterhandelte, zu gleicher
Zeit aber auch für eine der letzteren In»
tereffe gewann, welches sich bald in eine
Vermälung dieses Fremden mit derselben
auflöste. Dieser Fremde aber war nie«
mand Geringerer als der berühmte engli«
sche Optiker D o l l o n d (geb. 1706,
gest. 1761). der im Jahre 1737 durch
Erfindung der achromatischen Fernrohre
eine der folgenreichsten Entdeckungen im
Gebiete der optischen Wissenschaft machte,
wozu ihm eben jener S t r a ß e r'sche
grüne Glasfluß, eine Mischung von
Flint« und KronglaS, durch welche zu»
erst farbenfreie Ferngläser gewonnen
wurden, verhalf. Die unechten Bril«
anten aber. welche S t r a ß e r's Der-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Band 39
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stifft-Streel
- Band
- 39
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 400
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon