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Strauß Johann I. (Vater) 334 Strauß, Johann I. (Vater)
huldvollste aufnahm und schon wenige
Tage nach seiner Abreise zu einem zwei»
ten Concerte einlud. Ueber Magdeburg
und'Berlin kehrte er nach Wien zurück,
wo der Fasching des Jahres 4848 noch
im goldenen Schleier der uralten ein«
zigen Wiener Gemüthlichkeit dahin,
brauste. Die Walzertöne der ,Adep-
ten", 0p. 2l6, der „Amphion-Klänge".
0p. 224, und der .Aether-Traume",
0p. 223, besiegelten die v o r m ä r z-
lichc Tanzära Wiens. Die Zeit war
über Nacht eine andere geworden, und
sie ist auch nie wieder zur alten — vor«
rnarzlicken Gemüthlichkeit zurückgekehrt.
Strauß nahm die ersten Regungen
der Freiheit wie Jeder, der befreit vom
politischen Alp des Votmärz aufatlimele,
mit Begeisterung auf und gab ihnen
auch in seinen Compositionen Ausdruck,
wie es schon die Titel derselben andeu»
ten: „Oesterreich ischer Nationalgarde«
Marsch", 0p. 22l . — „Marsch der
Studenten-Legion", 0p. 223. — „Frei-
heits-Marsch". 0p. 226. — Marsch
des einigen Deutschland", 0p. 227.
— „Brünner Nationalgarde.Maisch",
0p. 234; aber wenn auch seine Geige
einige neue Walzer aufspielte, wie z. B.
die »Sorgenbrecher". 0p. 230. und die
„Landesfarben". 0p. 232, so sieht
man doch selbst darin die gewaltige
Veränderung, welche eingetreten: indem
man mehr marschirte als tanzte.
Und zuletzt gleich Allen, welche die
stets steigende Bewegung aufmerksam
^beobachteten, konnte gerade er mit sei«
nem echten alten Wiener Herzen dieser
Freiheit, welche die Studenten und
Blousenmänner boten, nicht recht froh
werden. Und so geschah es denn, daß
auch ihn der „damalige" Schimpf, ein
^ Schwarzgelber" zu sein. traf. Er er-
trug denselben mit dem Gleichmuth des wahren Patrioten. Ec verleugnete seine
altösterreichische Gesinnung auch dann
nicht, als er in den'Octobertagen ge«
zwungen war, imBelvedere. dem da»
maligen Hauptlager der Revolutions-
führer, fast täglich mit seiner Capelle
Productionen zu halten. Man sieht, in
einem Puncte war selbst die Revolution
conservativ geblieben: sie mochte ihren
gemüthlichen St rauß nicht entbehren.
Der Carneval 1849 fand ein bombar«
dirteS Wien, in welchem in tausend
Familien die Schmerzen über die Oc>
tobertage und deren Folgescenen noch
immer nachzuckten. Das war kein Bo«
den mehr für Strauß. Er suchte in
der minder heimgesuchten Provinz eine
Zufluchtsstätte. Er wurde in Prag gast.
lich willkommen geheißen, ebenso in
Olmütz. Anfangs März besuchte er mit
seiner Capelle München, wo seine Con-
certe wie einst die beste Aufnahme fan-
den. Von da ging er nach Stuttgart,
dann über Heilbron. Heidelberg nack
Frankfurt am Main. Auf dieser Route
erfuhr er die ersten Pöbelhaftigkeiten
der Revolution. In Heilbronn höhnte
ihn ein bemoostes Haupt: „Nu, Herr
St rauß, wollen Sie uns auch etwas
vorpfei fen?" Er sah den Renom-
misten fest an und entgegnete: „Denen,
die mich und mein Kunststreben beach.
ten, spiel' ich gern etwas vor, den
Anderen aber pfeife ich etwas". Die
Heidelberger Kanonenstiefelträger hat-
ten eine gar miserable Demonstration
dem Meister bereitet, als sie in gemie-
theten Kaleschen, mit Kappen von cana-
rimgelber Farbe, umwunden mit schwär-
zen Sammtbändern, an ihm und sei-
ner Capelle vorüberfuhren! I n Frank-
furt am Main verlangten während eineS
Concertes mehrere Wiener Radicale.
welche sich in die freie Stadt geflüchtet
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Band 39
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stifft-Streel
- Band
- 39
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 400
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon