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Strauß, Joseph I. 333 Strauß Joseph I.
scheint er ein anderer zu werden, neueS
Leben überstrahlt fein blasses Gesicht,
und der hitzige Eifer, mit dem er seine
musikalische Truppe anführt, ist kein er«
künstelter", so kann man wohl bestäti»
gen: es war kein erkünstelter, aber wen!»
ger ein durch Erregung deS Spiels als
durch sein schweres Leiden veranlaßter,
der seit 4863, wo dasselbe immer hef»
tiger wurde, nicht selten in eine Ohn«
macht auslief. Seit genanntem Jahre
dirigirte Joseph nur noch mit Auf»
Opferung, die Schmerzen im Kopfe häuf»
ten sich von Jahr zu Jahr, und nur mit
Besorgniß sahen eS die Seinen, als er
im Frühling 1870 einer Einladung nach
Warschau folgte, zu deren Ablehnung
ihn die Bitten und Vorstellungen seiner
Frau und seiner Brüder nicht zu bewe»
gen vermochten. I n Warschau trug
dann ein Vorfall, geeignet den gesun«
desten Menschen in eine lebensgefährliche
Aufregung zu versetzen, wesentlich zur
Verschlimmerung feines Leidens bei.
Russische Officiere im Zustande vollster
Anheiterung geriethen. als sie tief in der
Nacht, um ihre Orgien fortzusetzen, eine
Restauration noch heimsuchten, auf den
Gedanken, sich etwas aufspielen zu las«
sen, und schickten nach Strauß. Halb
mit Gewalt herbeigeholt, weigerte sich
dieser selbstverständlich, dem unberech-
tigten Ansinnen der Betrunkenen Folge
zu leisten. Seine entschiedene Weigerung
hatte die Folge, daß er mit Thätlich»
keiten schlimmster Art insultirt ward.
So berichteten alle Journale den Vor«
gang, und der witzige G l asbrenn er
beschrieb in seiner .MontagS'Zeitung"
diese traurige Affaire in einem Sonette,
welches die Runde durch die deutschen
Journale mackte und auch im Wiener
.Fremdenblatt" (4870, Nr. 476) abge«
druckt wurde. Nur ein Blatt wollte spa- ter den ganzen Vorgang als eine ten»
denziöse Erfindung bezeichnen, fand je«
doch mit diesem Versuche keinen Glau«
ben. Josephs Gattin, von dem trau«
rigen Zustande, in welchem ihr Gatte
in Folge der Mißhandlung sich befand,
in Kenntniß gesetzt, eilte sofort nach
Warschau und unterzog sich der emsig»
ften Pflege des Kranken, dessen Ursprung«
liches Leiden durch diesen Vorfall sich
nur verschlimmert hatte. Als dann die
Kräfte des Leidenden seine Rückkehr nach
Wien zu gestatten schienen, reiste sie
mit ihm heim, und am 17. Juli 1870
trafen sie in Wien ein. Aber die Reise
hatte die Kräfte Josephs erschöpft,
bald nach seiner Ankunft in Wien nahm
die Schwache zu, Bewußtlosigkeit trat
ein und fünf Tage danach war er eine
Leiche. Er wurde auf dem St. Marxer
Fciedhofe bestattet. Außer zahllosen
Kränzen schmückte die Geige mit den
zerrissenen Saiten den Sarg, dem eine
zahllose Menge Volkes das letzte Ge-
leite gab. — Sonderbarer Weise hatte
J o s e p h nie die Absicht gehabt zu
componiren und sprach dies schon im
Titel seiner ersten Walzer«Composition:
,Die Ersten und Letzten" aus. Die erste
war eS wohl, aber die 283. war die
letzte. Seine Werke erschienen ursprüng«
lich bei Hasl inger und nach dessen
Ableben bei S p i n a in Wien. Die
Opera 24. 39. 64. 244, 243, 249, 268
und 279 konnte ich nicht auffinden. Zum
Schlüsse sei noch bemerkt, daß auch eine
Auswahl der Coinpofitionen der drei
Brüder Eduard, Johann und I o«
seph in verschiedenen Arrangements in
gemeinsamer Ausgabe erschienen ist. —
Wie schon erwähnt, war Joseph ver-
malt. Im Jahre 1837 hatte er eine
Wiener Bürgerstochter Karo l ine ge-
borene Vruckmayr geheiratet, auS
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Band 39
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stifft-Streel
- Band
- 39
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 400
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon