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Streicher, Johann Andreas Streicher) Johann Andreas
österreichischen Kaiserstaates in Wien ent»
wickelte. Ein weiteres Verdienst, welches
er sich erwarb, besteht in der Verbesserung
des Kirchengesllnges in den beiden Wiener
Kirchengemeinden Augsburger rmd helve«
tischer Confession. Julius Ergenzin«
ger. der uns über die evangelischen
Schulen in Wien, der Erste, ausführ«
lichen Bericht erstattet, schreibt, daß
Streicher bei dem am 1< und 2. No«
vember 1817 gefeierten dritten Säeular»
feste der Reformation zum ersten Male
in bemerkbarer Weise hervortrat, da er
die Ieitung des musikalischen Theiles des
Gottesdienstes übernommen hatte. Im
folgenden Jahre beantragte er die Grün»
düng einer Singschule auS den fähigsten
Knaben der gemeinschaftlichen Schule
und bestritt die ersten Kosten dieser Ein»
richtung aus eigenen Mitteln. Am
49. Jänner 1818 fand die Eröffnung
dieser Singschule statt, und schon nach
vier Monaien bedürfte man beim Gottes«
dienste keines Vorsangers mehr,
dabei aber war der Gesang doch richtiger
als- zuvor. Hohe kirchliche Feste wurden
durch Ausführung größerer Chöre von
H a e n d e l und anderen classischen
Meistern gefeiert. Den Chorälen, welche
er von der Geistlosigkeit der die Andacht
auf höchst widrige Art störenden Vor«
und Zwischenspiele' befreite, verlieh er
einen gleichmaßigen Rhythmus dadurch,
daß er die letzteren meist nur aus vier
Vierteln bestehen, in gleichem Tacle mit
dem Chorale fich bewegen und dem Geiste
der Melodie entsprechen ließ. Seine An«
sichten und Wünsche über einen würde»
vollen, erhebenden Choralgesang ent»
wickelte er in der Vorrede der von ihm
herausgegebenen Schrift „Melodienbnch
zum Gebrauche bei dem öffentlichen Gottesdienste
der evangelischen Gemeinden" (Wien 1324,
Ant. Stranß, 8".). I n der Vorrede zu einem Choralbuche wollte er auch seine
Erfahrungen über die Erfordernisse eines
edeln zweckmäßigen Orgelspiels nieder«
legen, aber der Tod vereitelte die Aus»
führung dieses Vorhabens. Die Erfolge
seines Wirkens nach dieser Richtung
ließen sich wohl noch weiter nachweisen,
doch sei hier nur bemerkt, daß er auch
bei Aufführungen weltlicher classischer
Werke, so z. B. bei jener des „Orpheus"
von Gluck, scine strengen Grundsätze
zur Anwendung brachte und damit Er«
folge erzielte, welche dem Wiener Musik-
leben in jenen Tagen einen Schwung
verliehen, der in der Folge leider mehr
ab> als zunahm. Nun wollen wir noch
einer Arbeit Streicher's gedenken,
welche mit seinem bisher erwähnten Wir»
ken wohl nicht im Zusammenhange steht,
aber darum nicht minder werthvoll und
schätzenswerth ist. I n seinen späteren
Jahren beschäftigte er sich nämlich mit
biographischen Aufzeichnungen über sei»
nen Freund Schil ler, in welchen er
manches Neue mittheilen und über die
bis dahin in geheimnißvolles Dunkel
gehüllte Flucht des Dichters aus Stutt.
gart interessante Aufschlüsse geben konnte.
Er kam auch glücklicher Weise damit zu
Ende, und das Buch wurde wenigs
Jahre nach seinem Tode veröffentlicht.
Es erschien unter dem Titel „Schil ler's
Flucht auS Stuttgart und Aufenthalt in
Mannheim, vom Jahre 1782—1783«
(Stuttgart 4336, Cotta, VI und 216 S..
8".). Streicher's Kinder widmeten das
Honorar für diese Schrift dem Denkmale
Schil le r's. ES ist dieselbe eine köstliche
Frucht in unscheinbarer Hülle. I n ge-
müthlichem, sagen wir es gerade heraus,
spießbürgerlichem Tone ist das Ganze ge<
halten, aber es waltet darin eine Treue,
es liegt über den einfachen Worten ein so
bezaubernder Hauch der Empfindung, daß
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Streeruwitz-Suszncki, Band 40
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Streeruwitz-Suszncki
- Band
- 40
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1880
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 394
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon