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Strohlendorf) Joseph 78 Strohlendorf, Joseph
seiner Vorliebe für die Bühne s lbst.
verständlich. Er leistete darin Großes.
,vas ihm aber auch wieder schlimm
genug vergolten wurde. Ganz beson»
deren Cultus widmete er der Fanni
Elßler. Es war im Jahre 1844, als
diese wieder das Wiener Publicum
enthusiasmirte. Er zahlte damals neun»
undsiebzig Jahre uud genoß in Folge
dessen daS Vorrecht, vor dem Alls.
tritt der Tänzerin in ihrer Ankleide»
loge erscheinen zu dürfen. AlS er eines
Abends sich eben wieder in derselben
befand, vermißte die Tänzerin die
Kreide, die sonst überall, auf dem
Boden und den Tischen lag, ja liegen
mußte, da sie sich derselben zum An-
kreiden der Tanzschuhe bediente. Sie
suchte, aber vergeblich-, ein abgeschickter
Lakai erschien in kurzer Frist — ohne
Kreide — und meldete, daß, da es
Sonntag, alle Verkaufsladen geschloffen
seien. Der anwesende St roh lendor f
bat die ziemlich aufgeregte Tänzerin,
sich zu beruhigen und versprach ihr
bestimmt die Kreide zu beschaffen. Er
trippelte in größter Eile fort. und nach
einer starken Viertelstunde erschien er
athemlos vor der Tänzerin und legte
ihr ein Dutzend Kreidestücke vor die
Füße. „Sie sind ein Engel, lieber
S tro hlend o rf!" rief die E lß le r ,
„aber wie haben Sie das angefangen?
Und waS bin ich Ihnen schuldig?" —
„Zehn Glaser Zuckerwafser". entgegnetc
er lakonisch, „denn ich mußte in zehn
Kaffeehäuser gehen, um diese Kreide«
stücke von den Billard tischen zu stehlen".
Nun, war ihm die Geschichte mit der
Kreide zu seiner und der Tänzerin voll-
ster Befriedigung gelungen, so sollte
ihm eine andere Galanterie übel aus«
gehen. Eines TageS nahm er sich vor,
der Gefeierten unmittelbar nach been- detem Tanze ein prachtvolles Rosen,
bouquet, der Erste, zu überreichen. Zu
diesem Zwecke stellte er sich in seinem
Salon'Anzuge, die H5nde in tadellosen
Glacäs. und das Bouquet vorsichtig
hinter sich haltend, zwischen den Cou«
liffen auf. Als nun die Tänzerin nach
beendeten PaS erschien, trat er ihr
entgegen, mit triumpliirender Miene das
Bouquet hinter seinem Rücken hervor«
zichend. Aber Beide starrten sie ent>
setzt auf den Strauß, an dem alle
Knospen und Blüthen fehlten und nur
die grünen Blätter und dornigen Zweige
übrig geblieben waren. Ein Schalk,
welcher den alten ganz in den Tanz
der Elßler vertieften St roh lendor f
mit dem rückwärts gehaltenen Strauße
hinter den Coulissen hatte stehen sehen,
benutzte die Verzückung des Greises,
um, von diesem unbemerkt, mit einer
auS der Garderobe der E l ß l e r ge>
holten Scheere die Rosen vom Strauße
abzuzwicken. — Ein andermal befand
sich S t roh lendor f im Burgtheater,
als eben Sophie Schröder auftrat.
Da glaubte er zu bemerken, wie sein
Nachbar mit etwas — eS konnte nur
eine Pistole sein — auf die Tragödin
hinzielte, dann aber sich besann und'
die Waffe auf seinen eigenen Mund
richtete. Obwohl starr vor Entsetzen,
faßte er sich doch sofort uud packle den
Arm des Nachbars. „Was wollen Sie
von mir?" fragte dieser entrüstet seinen >
Lebensretter. „Sie am Selbstmorde hin«
dern", entgegnete S t roh lendorf. —
„Ach, lassen Sie sich nicht auslachen
und mich in Ruhe meine Chocolade
essen", denn eine Stange Chocolade
hatte S. für eine Pistole gehalten.
Und auch noch anderer Schabernack
wurde dem alten Manne mitunter an«
gethan. So hatte ihm ein Spottvogel
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Streeruwitz-Suszncki, Band 40
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Streeruwitz-Suszncki
- Band
- 40
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1880
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 394
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon