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Stroßmaner 93 Stroßnrayer
der ganzen christlichen Wett bildete. Er
richtete sich gegen die Vorlagen, welche
er als von den Jesuiten beeinflußt er-
klärte, deren Lehren er verurtheilte. Im«
mer klarer, immer gewaltiger wurden
seine Worte, immer wuchtiger die
Schläge, die er auf diese Feinde der
wahren Kirche fallen ließ. Der päpst'
liche Legat Cardinal Capa l t i . wel«
cher die Sitzung leitete, erhob sich zum
Ordnungsrufe, aber Bischof S t r o ß»
mayer ließ sick dadurch nicht ein«
schüchtern. „Ein Bischof", rief er, „hat
nur auf die Stimme seines Gewissens
zu hören. Die Kirche Gottes ist von den
Jesuiten bedrobt, und ich habe mich
erhoben, sie zu vertheidigen ! Nicht gegen
die Kirche, sondern gegen die Gesellschaft
Jesu richte ich meine Worte! Der hei»
lige Vater hat uns die Freiheit unserer
Berathungen versichert, und diese Frei-
heit nehme ich für mich in Anspruch.
Ich beschuldige die Jesuiten, den Geist
und die Lehre und den Unterricht der
Kirche verderbt und gefälscht zu haben".
Als er dann die römische Curie der
Schwerfälligkeit und Unwirksamkeit be<
schuldigt hatte und der Bischof von Mou-
lins Dreur-Breze die Concilienmit»
glieder daran gemahnte, daß der Papst
ihr ,heiliger Vater" sei, rief er jenem
zu: „Ja , aber dieKirche ist un«
sere h ei l ige M u tter ' . I n der Bo
geifterung seiner vom heiligen Zorn er»
füllten Rede geschah es ihm, daß, als
er eines seiner Argumente mit einem
Schwüre „beim Grabe St. Peters" be«
kräftigen wollte, ihm der iHps
entschlüpfte: „pe r äsos
t a l o s " . I n einer anderen Rede er«
neuerte er die Beweise seines Freimuths
und sprach von der Nothwendigkeit, den
Papst zu universaliren, d. h. auch Nicht'.
Italienern zugänglich zu machen; ebenso betonte er die Universalirung der römi-
schen Kongregationen. damit die Kirche
aus beschränkter und engherziger Weise
hervortrete. Er will einen Einfluß der
Synoden auf Bischöfe. Er kehrt sick
gegen die Feindschaft der Kirche im Ver-
hältniffe zu dem modernen Fortschritte,
er hält an der Ueberzeugung fest: die
Freiheit der Kirche habe nur ihre Bürg'
schaft in der Freiheit der Nationen. Er
nennt die canonischen Gesetze eine baby»
lonische Confufion, welche der Klärung
dringend bedarf u. s. w. Am weitesten
klaffte der Spalt zwischen S t r o ß-
mayer und dem Concil nach seiner
Rede uom 22. März, in welcher er zu
dem wichtigsten Punkte, zu der Frage
kam: ob das Concil die Glaubens»
decrete blos mit numerischer Mehrheit
oder mit moralischer Stimmeneinhellig'
keit votiren werde? welcke Frage auf
die Antwort hinauslief, man könne
einen Glaubenssatz nicht ohne
moralische Uebereinst im m ung
des gesammten Episkopats de»
f iniren. Kaum jedoch waren diese so
wicktigen Worte gesprochen, folgte eine
Scene, welche mit der Feder sich nicht
wiedergeben läßt. Stroßmayer ver-
suchte eine Zeitlang dem Sturme Trotz
zu bieten, vergebens; er wurde ge»
zwungen, von der Tribüne herabzuftei»
gen. mitten im Satze müßiger sie ver»
lassen. Er protestirte gegen diese Ge-
waltthat mit aller Energie, aber was
half es, er mußte der Uebermacht wei»
chen. Für die Anfeindungen und Ver»
folgungen der Iesuitenpartei erntete er
aber die Anerkennung und Bewunderung
der vernünftigen GlaubenSgemeinde,
welche in wahrer Religiosität, in der
Rückkehr zur ungefalschten Lehre Christi
das Heil der Gesellschaft, die Sicherheit
des von den Socialisten und den Ultra»
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Streeruwitz-Suszncki, Band 40
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Streeruwitz-Suszncki
- Band
- 40
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1880
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 394
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon