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Stroßmayer Stroßmayer
montanen gleich gefährdeten Staates
sieht. Man nannte den Bischof St roß-
tnayer den zweiten Ventura' , der als
Redner und Gelehrter gleich berühmte
Biscbof von Orleans D u p a n l o u p
bezeichnete ihn als den ausgezeichnetsten
Redner deS Concils, und Cardinal M e»
rode ließ sich zur Bemerkung hin»
reißen: „D a S Conc i l hat 'seinen
M a n n g e f u n d e n " . Da seine
Gegner mit positiven Beschuldigungen
nicht aufwarten konnten. griffen sie ihn
mit conjecturalen Verdächtigungen an,
und eine solche erschien in den „Minies",
sie enthielt unter anderen folgende
Stelle: „ S t r o ß m a y e r hat mehr
dcnn einmal zu verstehen gegeben, daß
er keinen Anstand nehmen würde, dem
Uebertritt der katholischen Minorität zu
der griechisch > schismatischen Kirche des
Orients das Wort ;u reden, wenn dies
für die Vereinigung der Südslaven
nothwendig sein sollte". Auf diese grelle
Anschuldigung entgegnete er mit einem
„Rom, Juni 1870" datirten Schreiben,
worin er Thatsachen vorbringt, welche
das gerade Gegentheil obiger Verdäch-
tigungen, nämlich seine Bemühungen
darthun, den jetzt difsentirenden Theil
seines Volkes zur katholischen Einheit
zurückzuführen. Nach beendetem Concil
zog er sich in seine Diöcese zurück, seine
humanitären Werke. seine Förderung
der Künste und Wissenschaften wieder
aufnehmend. Im Uebrigen hielt er sich
von allem öffentlichen Leben fern und
ging darin so weit. daß, als im Jahre
1878 in seiner Diöcese zu seinem 23jah.
rigen Bischofsjubiläum Vorbereitungen
getroffen wurden, er dieselben unter«
sagte; patriotische und humane Rück«
sichten gegen seine christlichen Conna«
tionalen in der Herzegowina, die da«
mals für die Freiheit litten und blu» teten. veranlaßten ihn zu dieser Ver«
fügung. I n den letzten Jahren hatte
sich die öffentliche Aufmerksamkeit, so
sehr sie durch die bei den Südslaven
sich abspielenden Kriegsgreuel gerade
den Gegenden zugewendet war, in wel>
chen er eine Rolle spielte, doch nur
wenig mit ihm beschäftigt. Nur einmal,
im Jahre 1877 hieß eS. daß der Füh.
rer der englischen Whig. Partei Glad«
stone seit längerer Zeit mit Bischof
Stroßmayer in regem schriftlichen
Verkehr stehe, dessen Gegenstand Haupt«
sachlich die religiösen und politischen
Fragen der Gegenwart bilden. Dies
sind in wenigen Zügen die Umrisse zu
dem Lebensbilde eines Kirchenfürsten,
den seltene Geistesgaben auszeichnen
und der seinem Wahlspruche gemäß:
„8v6 22 visru i 22 äonioviku", d. i.
AlleS für den Glauben und das Va<
terland. sein Handeln und Wandeln
eingerichtet hat. Ein Gegner der Ma«
gyaren, deren Magyarisirungsgelüsten
er mit aller Entschiedenheit entgegen«
tritt, und daS Haupt eben jener Par»
tei in Croatien, welche, die nationale
genannt, sich gegen die magyarischen
Vergewaltigungen mit aller Kraft ihres
nationalen Bewußtseins stemmt, hat er
auch sonst noch Grund, der ungarischen
Regierung nicht gerade Wohlwollen ent>
gegenzubringen. Als nämlich im Jahre
1870 der erzbischöfiiche Stuhl in Agram
erledigt war, richteten sich aller Augen
wie von selbst auf S t r 0 ß m a y e r,
denn wie die Dinge damals lagen, hatte
eben er. der für sein Vaterland so
Vieles gethan, die nächsten und gegrün-
detsten Ansprüche auf diese höchste geist«
liche Würde in seinem Vaterlande. Aber
die Ungarn wußten es besser, als sie auS
irgend einem Winkel Ungarns einen bis
dahin ganz unbekannten Priester auf
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Streeruwitz-Suszncki, Band 40
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Streeruwitz-Suszncki
- Band
- 40
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1880
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 394
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon