Seite - 40 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Susil-Szeder, Band 41
Bild der Seite - 40 -
Text der Seite - 40 -
Zwieten, Gerhard 40 Swieten. Gerhard
Swieten's Vorgänger als kaiserlicher
Leibarzt, war wohl ein grundgelehrter
Mann, Bücherkenner und gewaltiger
Büchersammler', daß er aber über seine
ärztliche Praxis und seine sonst so ehren»
werthe Passion hinaus irgend werkthätig
gewesen und fördernd eingegriffen hätte,
ist nicht bekannt. Als nun Swieten
von der großen Monarchin mit den
Functionen eines ersten Leibarztes und
zugleich eines Directors des gesammten
Medicinalwesens betraut wurde, über«
nahm er eine Mission, welche beweist,
wie groß daS in seine Kenntnisse und
den ihm vorangegangenen Ruf gesetzte
Vertrauen war. Mit großer Mäßigung
und Weisheit ging er an die Lösung
seiner Aufgabe. Zunächst wollte er durch
eigenes Beispiel wirken und trat denn
sogleich als akademischer Lehrer auf, in
seinen Vorlesungen darlegend, welcher
Unterschied zwischen trockener markloser
Lehrart und eindringendem lebens- und
geistvollen Vortrage walte. I m Vorsaal
der kaiserlichen Bibliothek lehrte er zuerst
Methodologie und hielt dann über
Boerhave's Institutionen Vortrage,
welche von einer großen Anzahl gelehrter
Manner aus allen Gegenden besucht
wurden. Neun Jahre hielt er diese Vor«
träge, die ihm Gelegenheit boten, die
veralteten Mißbrauche kennen zu lernen,
an denen das geistige Leben der Metro«
pole krankte, und ihm auch jene Manner
naher brachten, auf deren Beistand er
bei den vorzunehmenden Reformen
rechnen durfte. Dabei aber vergaß er nie
sich selbst und war — ein Fünfziger —
immer noch auf seine geistige Fortbildung
bedacht. So erlernte er noch in spaten
Jahren die arabische und ungarische
Sprache, trieb, wahrend er seiner arzt.
tichen Praxis oblag, ernstliche Studien
«in der Mathematik und den Naturwiffen. > fchaften und stand immer auf gleicher
Höhe mit dem Aufschwung, den dieselben
jenseits der Grenzen des Kaiserstaates
genommen hatten. Am 23. Juni 1732
erfolgte die Erhebung der Wiener Uni»
versität zu einer Staatsanstalt. An die
Spitze derselben wurden als PrafidrS
von den Facultaten ganz unabhängige
Männer gestellt. Als Studiendirektoren
bestimmten diese zugleich die Richtung
und den Inhalt der öffentlichen Vor«
lesungen. Sie standen unter dem obersten
Kanzler der Kaiserin, von 1787—1765
unter dem einflußreichen Reichsgrafen
Friedrich Wilhelm von Haugwitz,
über den anläßlich seines Todes die
Kaiserin Mar ia Theresia an dessen
trauernde Witwe aus Innsbruck die ge»
wichtigen Worte schrieb: „Er allein hat
d<:n Staat 1747 aug der Confusion in
die Ordnung gebracht". Die Seele aller
dieser Reformen aber war der kaiserliche
Leibarzt van Swieten^ Als Ausländer
die Berechtigung des in Oesterreich Her«
kömmlichen nicht beachtend, benutzte er
das in ihn gesetzte unumschränkte Ver«
trauen seiner hohen Gebieterin zur Be«
seitigung aller Hindernisse, die seinem
Wirken sich entgegenstellten, namentlich
des sogenannten passiven Widerstandes,
der trotz der trefflichsten Gesetze die Ab<
ficht derselben vereitelt, der in Oesterreich
immer so mächtig gewesen und eS leider
noch häusig genug ist. Und so erreichte
denn gerade unter und durch Swie ten
die medicinische Schule Wiens eine früher
nicht geahnte Höhe und Vollendung.
Sie zuerst fügte sich dem Willen deS
mächtigen und gelehrten Fremden, wah-
rend die juristische Facultät noch lange
Zeit in hartnackiger Opposition ver-
harrte, noch manche hartgesottene Par.a«
graphenmenschen großzog, bis auch diese
in neuester Zeit in bessere Geleise trat
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Susil-Szeder, Band 41
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Susil-Szeder
- Band
- 41
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1880
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 340
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon