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Sylva-Taroucca) Emanuel Tellez 96 Sylva-Taroucca) Emanuel Tellez
für die Nothwendigkeit dieser Umkehr
haben Eure Majestät in der nächsten
Nähe um sich. Weiland Ihre erlauchte
Mutter hatte ein großes und edleS Herz,
einen lebhaften Geist, der weit um und
vor sich blickte, dabei das liebenSwür«
digfte Benehmen. Sie schenkte leicht ihr
Zutrauen, entzog es aber, wie es scheint,
ebenso leicht wieder. Die berühmte Grä-
sin Fuchs Md. IV, S.391) mag hiefür
als lebendes Beispiel dienen. Die Kaise«
rin-Mutter ward ihrer überdrüssig, und
ich glaube, daß mehr eine Vorliebe für
den Wechsel und für Neues sie hinriß,
als die Ungefügigkeit, welche weiland
Ihre Majestät in der treuen Gesinnung
dieser trefflichen Dienerin mochte gefun«
den haben. Haben Eure Majestät nicbts
dem AehnlicheS erfahren? Eure Majestät
wissen besser als ich, ob Ihre erlauchte
Mutter trotz ihrer Freigebigkeit und
ihres einschmeichelnden Wesens sehr be>
liebt war. Man traute ihr nicht mehr,
denn Niemand erwartete, daß ihr einmal
entzogenes Vertrauen je wiederkehren
werde." Wir sehen aus dieser Stelle,
wie der Graf schon früher dem kaiser«
lichen Hofe nahe gestanden, wie er in die
intimsten Familienverhaltnifse eingeweiht
war, und wie sein Freimuth ihn nicht im
Geringsten hinderte, seine Ansicht über
die Mutter Mar ia Theresia's offen
auszusprechen. Nach längerer Ausfüh.
rung endlich bemerkt der Graf: „Ich
habe die Ursachen erforscht, wenn ich
auch noch weit davon entfernt bin, die
Heilmittel dafür angeben zu können.
Ich glaube aber. daß Liebe und Zunei«
gung gegenseitig sein müssen, was auch
vom Vertrauen gilt. Jetzt liegt eS nur
mehr an Eurer Majestät selbst, sich zu
erforschen und darüber sich klar zu
werden, ob Sie nicht Ihr Vertrauen zu
leicht verschenkt und ebenso wieder ent« zogen haben, ob Sie darin einen Grund
der erkalteten Liebe finden können, und
ob Eure Majestät dann, ohne in den ent»
gegengesetzten Fehler zu verfallen, näm«
lich in eigensinniges Beharren in dieser
oder jener Richtung, für die Zukunft
auf Abhilfe und rechtes Maß Bedacht,
nehmen wollen". Wie erhebend, wie
überwältigend klingen diese Worte aus
dem Munde eines Mannes, den seine
Zeitgenossen doch wohl kaum als etwaS
Anderes denn einen Höfling betrachtet
haben mochten! Er trug aber auch kein
Bedenken, in Angelegenheiten der äuße.
reu Politik unverhohlen seine Meinung
zu sagen, selbst wenn sie mit der gerade
herrschenden Ansicht der Minister nicht
im Einklänge stand. Auch dafür findet
sich im erwähnten Briefwechsel ein anzie.
hendes Beispiel. Als nämlich mit der
Heimkehr deS Fürsten Kaunih. nach
der Schöpfung der Staatskanzlei, die
entschiedene Hinneigung zu Frankreich
in der Politik Oesterreichs immer mehr
zutage trat, da schrieb der Graf ohne
Bedenken an seine Monarchin: „Wie es
auch immer sei, der Oesterreicher verab»
scheut die französische Knechtschaft, wie
alles, waS mittelbar oder unmittelbar den
Glanz Mar ia Theresia's verdunkelt.
Ich habe nichts als meine Empfindungen
dem herrschenden Geschmacke, der jetzt
nach Frankreich weiSt, entgegenzusetzen,
wie den beredten Abhandlungen, welche
die am besten oder allein Unterrichteten
zum Erstaunen werden vorzubringen
wissen. Der AuSgang mag Eure Maje-
stät eines TageS belehren, wer im Irr.
thume war. . .". Und der AuSgang hat
uns entsetzlich genug belehrt. So war
daS Verhältniß Taroucca's zu M a«
ria Theresia. Innige Ergebenheit
auf beiden Seiten, unbegrenztes gegen«
seitiges Vertrauen, treues Ausharren in
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Susil-Szeder, Band 41
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Susil-Szeder
- Band
- 41
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1880
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 340
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon