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) Bartholomäus
Princip der Volkssouveränität in Allem,
aber auch in allen seinen Consequenzen.
Zur Schmälerung der Volkssouveranitat,
dieser ewigen Quelle der Gewalt, wird es
Niemandem, so weit es dies zu hindern
vermag, zur Uebermacht verhelfen, nein, in
einem solchen Falle, von seinem Posten
abtretend, die Nationalversammlung, den
Gouverneur und das Volk aufrütteln.
Es biitet um kein Vertrauen, denn das
Vertrauen muß von selbst erstehen".
Am 14. Mai legte er mit Duschek,
Ba t thyäny , Horvä th und Vu«
kovich den Ministereid in Ko ssuth'S
Hände ab und erließ dann den merk.
würdigen Erlaß bezüglich der Organi-
saiion 5)?r Polizei, worin er das Spionir«
syftem förmlich desavouirte und den
Grundsatz aufstellte: „die Polizei habe
die Aufgabe zu helfen, aber nicht zu be»
lästigen". Noch einmal, als die Gefahr
von Minute zu Minute stieg, nahm er
einen revolutionären Anlauf, indem er
in der Sitzung vom 22. Mai ausrief:
„Meine Herren! Ofen ist genommen.
Ungarn ward an demselben Tage frei,
an dem vor dreihundert Jahren der erste
Habsburger. König Ferdinand I.
den ungarischen Thron bestieg!" Etwas
mysteriös', ober damals verfing alles.
Ueber diese Zeit seines Debrecziner Auf«
entHaltes berichtet eine Zeitstimme ohne
viel Bedenken: mit dem scheinbaren
Glücke Ungarns begann wieder Sze«
mere's bekanntes Malheur. Sein Tä.«
blabirothucn trat in den Vordergrund.
Anstatt die Siege der revolutionären
Armee und die allgemeine Begeisterung
rasch und nach Kräften auszunützen. ver>
tändelte er die kostbare Zeit mit nutzlosen
Lappalien. Acht Tage lang ließ er sich in
Debreczin mit Huldigungen und Gratu-
lariomn berauchern. Dann konnte er
dem kindischen Gelüste nicht widerstehen, ) Bartholomims
sich in seiner Vaterstadt als Minister.
Präsident zu zeigen. Unter Festessen.
Fackelzügen u. d. m. vergeudete er
vierzehn Tage in Miskolcz. Endlich in
Budapest angelangt, kannte er keine
dringendere Aufgabe, als Erinnerungen
zu schreiben, Danksagungen für diese zu
empfangen und sich mit der Presse, die
ihn ob seiner Unthätigkeit auszankte,
herumzubalgen. „Die Russen", schrieb ein
Publicist, der dieses Verhalten S 5 e.
mere's beknltelt. „durften noch nicht
kommen, denn Szemere war mit seinen
Ernennungslisten noch nicht fertig. Als
sie dennoch nahten, ließ er es in seinem
Organe als freche Lüge erklären. Und
als sie ihm bereits vor der Nase stan«
den, warf er sich als reuevolles Beicht-
kind in die Arme des frommen Csanader
Bischofs (alias Kultusminister Michael
H 0 r v 2. th) und schrieb in dessen Ge-
meinfchaft Fasttage, Processionen und
Aehnliches aus. Der böse russische Dä-
mon aber wollte sich durch Pater M i«
chaels Beschwörungsformeln nicht
bannen lassen". Nun ging es nach Sze.
gedin, aber sein Täblabiräthum folgte
ihm auch dahin nach. Anstatt den Land»
stürm aufzubieten, ordnete er Reichs-
tagssitzungen an und wahrend die kaiser-
lichen Truppen aller Orten auftauchten
und endlich ganz Ungarn besetzten, be»
wies er auf der Landkarte, daß noch
sieben Achtel des Reiches Stephans
in ungarischen Handen seien, und aus
alten englischen und französischen Iour«
nalen, daß England und Frankreich
interveniren müssen. Noch 'in der Sitzung
vom 2l. Juli erwiderte er auf eine an
ihn gerichtete Interpellation: „Wenn
Sie mich befragen, ob denn gewisse Aus»
ficht vorhanden, daß wir den schweren
Kampf mit der veitimen österreichisch»
russischen Armee sieghaft bestehen werden,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Szedler-Taasse, Band 42
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Szedler-Taasse
- Band
- 42
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1880
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 356
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon