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Szeps
Publicistik auf Mittel sinnen zu lassen,
welche manche gegen sie gerichteten Maß-
regeln paralyfiren sollten. Der unfitt«
liche Vorgang einer willkürlichen Be«
drückung drängte unwillkürlich zu eben
so wenig sittlichen Maßnahmen, um
diesem Drucke auszuweichen. Endlich
trat mit dem Staats minister v. Schmer-
l i ng , der am 43. December 1860 an
die Spitze der Geschäfte kam, die neue
Zeit, welche durch den unglücklichen
Ausgang des FeldzugeS 1859 vov
bereitet worden war, wirklich ein. Es
begannen die Sonnentage deS österreichi»
schen Regimes. Szeps redigirte die
.Morgenpost", er stand immer auf der
Linken oder richtiger äußersten Linken.
Dadurch wuchs zusehends der Leserkreis
deS Blattes, daS im verhängnißvollen
Kriege 4866 es auf eine Auslage von
30.000 Exemplaren brachte. Indessen
wurde das nie erquickliche Verhältniß
mit dem Eigenthümer des Blattes, einem
Sonderling sonderlichster Art, immer
unerquicklicher und SzepS, der seine
Schwingen geprüft und die Ueberzeu»
gung gewonnen hatte, er könne schon
einen Flug auf eigcne Kraft wagen, be«
nützte den ersten Moment, der sich ihm
zur Selbststandigkeit darbot, und kaufte
im Juli 4867 daS ,Neue Wiener Tag.
blatt*. in dessen Redaction mit dem
Chef fast das ganze Arbeitspersonal der
,Morgenpoft" übertrat und zu dessen
neuen durch ihn geschulten und groß»
gezogenen Kräften die erprobten alten
des Blattes, darunter vor allen Fried»
rich Schlögl A d . XXX, S. 128^. der
Verfasser von „Wiener Blut?. der bis
dahin den localen Theil des Blattes be-
so rgt hatte, sich gesellten. Unter diesen
Verhältnissen entwickelte sich das ,Neuc
Wiener Tagblatt" bald in außerordent»
.licher Weise. .Herr Szeps", schreibt Don Spavento in dem unten ange.
gebenen Schriftch-n. „ist für uns einfach
das ,Neizö Wiener Tagblatt", das heißt
30—40.000 Exemplare täglich, welche
das Hirn von 2—300.000 Lesern zu
erleuchten berufen sind. Als Repraftn-
tant der politischen Reife, des literarischen
Geschmackes, des socialen Strebens
dieser Viertelmillion Menschen erscheint
uns Herr SzepS eine der gewichtigsten
Persönlichkeiten Wiens. Cr weiß es
ganz gut und von Zeit zu Zeit deployirt
er seine Macht auf eine überraschende
Weise und ruft es allen inS Gedächtniß
zurück, daß man mit ihm in erster Reihe
zu rechnen habe. So z. B. hat er der
Weltausstellung (is?3) den Krieg bis
aufs Messer erklart und nicht wenig
dazu beigetragen, ihr den Nimbus zu
rauben, den sie von vornherein bean»
spruchte. (5r hat den armen Schah von
Persien zum Kinderspott in Wien herab«
gezerrt und hat es durchgesetzt, daß ein
ländlicher Wahlbezirk seinen altbewähr»
ten ehrenhaften Vertreter über Bord
werfe und dafür den Mann wähle, der
gleich dem verlorenen Sohne nach
mancherlei Irrfahrten zum ,Tagblatt"
zurückgekehrt ist." SzepS befitzt neben
eigener unermüdlicher ArbeitSthätigkeit
die auf journalistischem Gebiete unge.
mein wichtige Gabe, jede Kraft, die
eine wirkliche Kraft ist, zu benutzen und
hr den gehörigen Wirkungskreis zuzu-
weisen. Dabei hält er mit seinem Ar«
beitspersonale im Vlatte ein Verhältniß
aufrecht, das ihm die Sympathien des»
selben und wenn eK nöthig werden
sollte, dessen Ovferwilligkeit sichert. Da
trat ein Ereigniß ein. dessen Tragweite
damals kaum Jemand geahnt hätte und
welches daS Platt für einige Zeit zum
Löwen deS Tages mackte. Es war die
Bulle des PapfteS P ius lX .
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Szedler-Taasse, Band 42
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Szedler-Taasse
- Band
- 42
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1880
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 356
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon