Seite - 18 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Tabacchi-Terkla, Band 43
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Taglioni^ Marie 18 Taglioni, Marie
Nun freilich that die Tänzerin Schritte,
um ihre Zukunft zu retten, sie ließ sich
von ihrem Gatten scheiden und warf
ihm eine Pension jährlicher 6009 Francs
aus. Der Graf führte sein gewohntes
Spielerleben fort. bis er in die äußerste
Noth versank und in dieser unweit der
schweizerischen Stadt Sitten, in deren
nächster Nahe sich eine Spielhöhle be.
fand. im Jahre 1803 daS Zeitliche
segnete. Maria aber tanzte noch viele
Jahre. Triumphe über Triumphe feiernd,
den größten darin, daß man sich um
einen neuen Pas der Tänzerin mehr
kümmerte als um alle Politik. Man ver«
licfte sich in eine Kritik ihres Tanzes
mehr als heutzutage in die verbissen«
stell Leitartikel, und ein Kritiker ver«
suchte mit einem einer wichtigeren Sacke
würdigen Eifer zu beweisen, daß die
Tagl ion i kleiner sei als ihr Ruf!
Ernste Männer, wie Borne, Theodor
Mundt , der von ihr das geflügelte
Wort sprach: „sie tanze Goethe",
widmeten der Ballerine eingehende Be»
trachtungen, und Monsieur I . I<, wie
seinerzeit IuleS Ian in in Paris ge-
nannt wurde, der eben im „^onrii3.1 äos
vsbats" nicht wenig den Ruhm der
Tänzerin hatte begründen helfen, schickte
ihr eine bitterschwere Philippika nach
St. Petersburg nacd, wohin sich die
Tänzerin für drei Winter hintereinander,
1838, 1839 und 4840. ohne seine Er-
laubmß hatte engagiren lassen; er stand
nicht an, in seiner Anklage über ihre
Undankbarkeit es geradezu auszusprechen:
„baß sie mit dem Ruhme entflohen, den
ihr die Franzosen geliehen, nicht ge«
schenkt haben!" Noch schärfer aber
wurde sie von Victor H ug o angegriffen,
der, damals im Zenith seines Ruhmes,
es in einem Salon erfahren mußte, daß
man Apollo nicht beachtete, da Terpsi» chore anwesend war, daß man über die
Tänzerin den Dichter völlig vergaß. Zur
Unzeit von einem der anwesenden Gäste
aufgefordert, auf die gefeierte Sylphide
ein Gedicht zu machen, schrieb er daS
berühmte Gedicht „Une äÄNLSULe",
worin er einen im Dienste deS Vater»
landeS lahmgeschofsenen verhungernden
Grenadier der mit Tausenden honorir«
ten Fußkünstlerin gegenübel stellt und
nun in die Worte ausbricht: «Nils vant
plus yuo toi! plus yus 1Z. Tra.liä.6 2.5026^
I>!.UL HU.6 1.65 Fr6ri2.ä1er3 <1u Arg.nä. N g<>
poloon! s^ ax l ion i . o'sst Is cri
<1<3 notrs tslnps inoäQlns! j ^ kas
I'liistoirk, ä, I)H3 1a, Floiro et 1a vkläur!^
Vivent Iss piecl.2 äNnsants! 1'ss^rit ä. Ia
!" sMehr gilt dieS Weib
als du. mehr als das Heer im Landes
Mehr als ein Grenadier, mehr als Na«
poloon! j Tagl ioni ist der Schrei
der hochmodernen Sitten! j Weg mit
der Wissenschaft, weg mit des Geistes
Joch! j Die Tanzerinen hoch! Der
Geist wird nicht gelitten', j Ach armer
Grenadier, warst du einTanzer doch !"
Aus dem ganzen Gedichte klingt Victor
Hugo's verletzte Dichtereitelkeit heraus.
Dem Lande Frankreich am wenigsten
kann man nachsagen, daß es seine Armee
— seine Grenadiere vergessen habe. Und
die Grenadiere, welche nach Hunderten
und Tausenden zählen, waren ja stets die
Hätschelkinder der „großen Nation".
Die Tagl ioniS aber tanzen nicht nach
Dutzenden auf del. Welt.) Dies Gedickt
Victor Hugo's, der zu jener Zeit noch
ein NapoleoN'SchwärlNer war. machte
ungeheures Aufsehen in der Seinestadt
und die Runde durch alle SalonS der«
selben, in welchen es mit dem Urtheil,
das ein Hindu über eine Balletvorstel-
lung der Ta g li o n i in Zondon gefallt
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Tabacchi-Terkla, Band 43
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Tabacchi-Terkla
- Band
- 43
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1881
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 320
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon