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ioM) Paul 22 Taglioni) Marie
Kunst erscheinen, denn in seinen Balleten
liegt der Schwerpunkt in dem Ensemble,
dem Ballabile, aus welchem dann der
Solotanz an geeignetem Orte. wenn die*
Situation ihn erfordert, hervortritt. So
wurde durch Pau l das Solo mit seinen
monotonen Fußtrillcrn und Bravour«
PaS auf daV nothwendigste Maß be«
schränkt und mit dem Ensemble organisch
verflochten. Auf diese Weise nahm der
Meister mit dem alten Ballere eine ahn-
liche Operation wie Gluck mit der von
Arien überfüllten italienischen Oper vor
und trug dadurch nicht unwesentlich zur
Veredlung dieser ohnehin etwas ange-
zweifelten Kuristform bei. Am 4. Novem«
ber 1875 beging Pau l Tag l ion i im
Berliner Opernhause sein fünfzigjähriges
Künstlerjubilaum. Dasselbe gestaltete
sich zu einem großartigen Feste. Der
Kaiser verlieh dem Jubilar den Kronen«
orden dritter Classe, welchem der Herzog
von Anhalt die jüngst gestiftete goldene
Medaille für Kunst hinzufügte. Dann
gab es eine Unzahl Ehrengeschenke: sil.
berne Vasen, Kranze, Schalen und
Adressen von Nah und Fern. Unter den
Sprechern befand sich der Kunstveteran
Theodor Dör ing . Von Deputationen
erwähnen wir die des Wiener Ballet«
Personals, welches dem Gefeierten mit
einer Adresse einen riesigen Lorbeerkranz
mit schwarzgelber Schleife schickte. Und
auch von Wien kam eine telegraphische
Depesche, von der berühmten Collegin
des Jubilars: Fanni Elster. Er selbst
dankte mit kurzen und bewegten Worten,
die aber des Humors nicht entbehrten,
indem er, sein uncorrecteS Deutsch ent»
schuldigmd, sagte: »obwohl er über ein
halbeS Jahrhundert in Deutschland lebe,
ja im Herzen Deutschlands, in Wien,
geboren sei, so sei dieser Zeitraum doch
nicht für ihn ausreichend gewesen, die deutsche Sprache vollkommen zu er-
lernen". Pau l , dsn auch Se. Majestät
der Kaiser Franz Joseph mit dem
seinen Namen führenden Orden auS>
zeichnete, ist noch zur Stunde Ballet-
director der königlichen Schauspiele in
Berlin. Wir dürfen schließlich nicht uner«
wähnt lassen, daß unser Künstler während
seines Dienstes an der Berliner Hofoper
zur Aufführung seiner Ballete oft allein
oder auch mit seiner Tochter Mar ie nack
Wien kam. — Pau lTag l ioni 's älteste
Tochter Marie (geb. in Berlin 183<)
und Nichte der gleichnamigen berühmten
Tänzerin, deren 3ebensskizze S. l7 mitge-
theilt ist,erhielt von ihremVater die sorg-
fältigste choreographische Ausbildung;
sie trat zum ersten Male am 16. Februar
1849 in London in dem „I>3.5 äs 1a
r08iö?6" auf. Mit diesem ersten Debüt
eroberte sie sich ihren Platz neben ihrer
einst so berühmten gleichnamigen Tante,
sowie der Cerr i to und Gris i . I n
Berlin debutirte sie erst am 9. November
1849 in „Thea". Dann trat sie in
St. Petersburg in sieben Vorstellungen
auf dem Theater deS kaiserlichen 3ust«
schlosses Lazienki auf. Für
sie schrieb ihr
Vater darauf daS berühmt gewordene
Ballet, sozusagen daS Musterballet der
Neuzeit, .Satanella", worin sie in Wien
und in Pesth glänzendes Furore machte
und, wie damals ein Kritiker treffend
bemerkte, aus der Beifalls», Scylla" in
die BeifallS.„CharybdiS" fiel. (Zngage.
mentsantläge aus Petersburg, wie nicht
minder vortheilhafte aus Wien ableh.
nend, schloß sie am 1. October 1833 auf
zehn Jahre einen Contract mit der Ber>
liner Hofbühne. Den ihr contractlich
zugesicherten jahrlichen Urlaub benutzte
sie abwechselnd zu Gastspielen in London,
Wien und an anderen deutschen Hof«
bühnen. I n Wien 1833 war es, wo sie
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Tabacchi-Terkla, Band 43
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Tabacchi-Terkla
- Band
- 43
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1881
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 320
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon