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Tausig) Karl Karl
LiSzt persönlich seine «heiligeElisabeth"
dem Wiener Publicum vorführte, ge-
wann der Meister dasselbe ganz für sich.
Wenn also ein Herr 3 a Mara in Ta u-
si g's überschwenglicher Apologie sich zu
der Bemerkung veranlaßt sieht: Tau«
sig'S Mißlingen habe darin seinen
Grund, daß der Boden Wiens noch nicht
genügend vorbereitet war zur Aufnahme
der Ziszt'schen Orchesterwerk?, so irrt
er sich gewaltig: denn zwei Jahre sind
kein Zeitraum, um einen solchen Boden
herzustellen, aber nicht der Meister ver-
schuldete den Mißerfolg, sondern sein
Prophet, denn nicht immer ist es die
Lehre, die uns mißfallt, häufig genuc;
nur der Mund, der uns die Lehre ver. >
kündet. Und auch bei diesen Orchester-
Concerten traten weniger die Werke des
geliebten Meisters, als das jeden Wider»
spruch abweisende Verhalten deS Kunst-
lers, der sein eigenes Selbst in den Vor.
dergrund stellen wollte, hervor und
schädigte den beabsichtigten Erfolg. Daß
dieses Wien, das so ganz spröde sich ver»
hielt und gar keine Lust zeigte, dem
Künstler, wie er gehofft, den Lorbeer«
kränz aufs Haupt zu drücken, wenig
nach Tausig'S Geschmack, daß diese
Kritik, die in keine Trompete stieß, um
den Ruhm des neuen Musikpropheten
zu verkünden, sondern sich vielmehr kühl
wie Eiswasser und zugeknöpft bis an
den HalS verhielt, wenig oder gar nicht
nach Tausig'S Sinne war, bedarf
keiner besonderen Begründung. War es
darum vielleicht, daß T a u s i g , um
seinen Unmuth gründlich zu verwinden,
sich in Studien stürzte? Nicht unwahr«
scheinlich, aber auch da vergriff er stch
gründlich, indem er in der Schopen«
h au er'schen Lebensanschauung die Pa«
nacee suchte, die Harmonie seines Wesens
herzustellen. Spater stieg er zu Kant hinauf, .stubirte Mathematik und Natur»
Wissenschaften, laS deutsche.und franzö«
sische schöngeistige Schriften kunterbunt
durcheinander, ohne jedoch in alledem
wirkliche Stützen für seinen inneren Halt
zu finden. Auch unternahm er mehrere
große Kunstreisen, zunächst nach Frank«
reich, dann nach Nußland, wohin er auf
Empfehlung Ried. Wagner'S im Jahre
l864 von der Großfürstin Helene als
Kammervirtuos berufen wurde. Von
St. Petersburg begab er sich unmittelbar,
und zwar auf des ihm befreundeten
Bü low Rath, nack Berlin, wo er denn
auch eine Reihe von Concerten — das
erste im December 1863 — abhielt, und
dieser Schritt war entscheidend für sein
künftiges Leben. WaS er in Wien nicht
gefunden, fiel ihm in Berlin in reichem
Maße zu; eS ist dies eine Erscheinung,
die sich bei vielen interessanten Person«
lichkeiten wiederholt. „Entzieht dir seine
Liebe Wien. es bietet reich Ersatz Berlin."
BiS zu seinem Auftreten in letzterer
Stadt befand sich Taus ig in niä-ls
weniger denn glänzenden, man möchte
fast sagen mißlichen Verhältnissen, nun
aber begann er die Früchte treuer unab«
lässiger Arbeit auch zu ernten. Bald
war er der Günstling deS Publicums.
der Liebling der Kritik. Berlin grün«
dete den Weltruf Tausig'S. und dank«
bar erwählte er es zu seinem Wohn«
sitz. König W il hel m ernannte den in
Wien Unverstandenen in demselben Jahre
(1866), in welchem die Hinterlader der
preußischen Armee der österreichischen bei
Königgrätz den Unterricht für die Zukunft
ertheilten, zu seinem Hofpianiften; die
Aristokratie erkor den nichts weniger als
Liebenswürdigen zu ihrem Liebling, und
mancher auS ihrer Mitte wurde scin
Schüler. Im October 4866 vermehrte
Tausig die Kunstanstalten BerlinS
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Tabacchi-Terkla, Band 43
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Tabacchi-Terkla
- Band
- 43
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1881
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 320
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon