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Tausig, Karl 155 Karl
um eine Schule für höheres Clavierspiel,
die erste und einzige dieserArt, an welcher
er selbst als Lehrer wirkte. Da sie ihn
aber in seinen Reiseunternehmungen
hemmte, gab er sie im Herbst 1870 auf.
Im Jahre !866 hielt er Concerte in
Hamburg. Dänemark, Schweden. 1867
in Leipzig. 1868 in Holland, später
selbst in Ungarn. Krakau, Galizien und
der Türkei, überall glänzende und schwer«
wiegende Erfolge feiernd. Schien es
einige Zeit, als sinde der Künstler unter
Menschen stch heimischer, so war dies
nur vorübergehend; allmalig zog er sich
ganz von der Oeffentlichkeit zurück, was
denn doch auf Störungen in seinem
inneren Oigowsmus schließen inßi. Bei
angeborener Reizbarkeit und einer keines-
wegS starken Constitution mockte er in
feinem Nervenleben durch jahrelange
anstrengende Studien doch auch gelitten
haben. Dabei verstimmte ihn der eben
ausgebrochene Krieg (l870) und wurde
sein Unbehagen und seine reizbare Stim-
mung nur noch gesteigert durch ein quä>
lendeS rheumatisches Leiden. Gegen letz.
teres wollte er 187l Hilfe im Schweizer
Bade Nagaz suchen, welches er schon
früher einmal mit Erfolg benützt hatte.
Von Dresden, wo er im Landhause der
Gräfin Krockow wohnte, brach er in
Gesellschaft dieser Dame und der Frau
von Moukhanosf 'Nesselrode am
2. Juli nach Leipzig auf, wo er mit
I i sz t , oen er m einer langen Reihe
von Jahren nur im Frühjahre i86t in
Paris und gelegentlich der Weimarer
Tonkünstlerversammlung im Mai 1870
beim dortigen Beethoven-Feste wieder
gesehen, zusammentraf und auch noch
ein paar vom Riedel'schen Gesangvereine
aufgeführte Werke seines Meisters hörte.
Am folgenden Tage erkrankte er, sein
Leiden stellle sich bald als TyphuS her- auS; man brachte ihn in das Leipziger
Krankenhaus, wo er von den genannten
Damen, mit denen er die- Reise nach
Ragaz auszuführen gehofft, auf das
sorgsamste gepflegt wurde. War einige
Zeit Hoffnung vorhanden, sein Leben zu
retten, so trat doch am 13. Juli eine
solche Veränderung im Zustande des
Kranken ein. daß jede HUft vergeblich
blieb. Seine bisherige Aufgeregtheit war
einer dumpfen Tbeilnahmlosigkeit ge«
wichen; aber er behielt sein Bewußtsein
bis zum letzten Augenblicke, der in der
vierten Morgenstunde des 17. Juli 187 l
eintrat. Freunde brachten srine Leiche
nach Berlin, wo sie am 21. Juli unter
den Klangen den B e erh ov en'schen
Trauermarsches und unter der Begl?i>
tung der Blitze und des Donners eineS
Gewitters der Erde übergeben wurde.
Tausig's eigentliche Größe beruhte
auf seinem Spiel, durch welches er in
unerreichter genialer Virtuosität die
Meisterwerke aller Zeiten auf dem Cl.i>
viere wiederzugeben verstand. L is ; t
selbst soll einmal den Ausipruch gethan
haben: „Der wird mich als Claviec.
spieler vergessen machen" snun, das ist
bisher nicht geschehen): ein anderes Mal,
im Jahre 1869: „Tausig spielt gegen-
wärtig Stücke, die ich nicht mehr zu
bewältigen im Stande bin". Gewiß
war unser Künstler als Pianist groß;
mit fabelhafter Technik verband er einen
seltenen Grad geistiger Vertiefung, abn
es fehlte ihm der volle Durchbruch des
Gemüthslebens und der Innigkeit. AuS
dem inneren Sturme kam es nie zu
einem wohlthuenden Momente der Ruhe,
ni» strich der. goldene Sonnenstrahl des
Friedens über dieses Chaos von Empfin«
düngen, man bewunderte ihn, aber man
athmete auf, wenn die Tasten verklungen
waren. Daß er auck componicte. ver«
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Tabacchi-Terkla, Band 43
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Tabacchi-Terkla
- Band
- 43
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1881
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 320
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon