Seite - 5 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Thugut-Török, Band 45
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Thugut
Staatsgeschäfte, sowie die verschiedentlich
bannt verbundenen Staatsgelder ver-
waltete und eine Thätigkeit entwickelte,
die ihn gegen alle seinem großenWirkungs-
kreise fremden Gegenstände, selbst gegen
solche, die sein unmittelbares In«
tereffe betrafen, gleichgiltig und un-
empfänglich machte. Die Kraft seines
Geistes äußerte sich, wie in seinen Hand-
lungen, so auch in seiner Schreibart, die
fick besonders durch Bündigkeit, Ueber-
dachtheit und Gediegenheit auszeichnete.
Wenn also Herr von Sybel dieselbe
„kaiserliche Stylübung von praktischer
Bedeutungslosigkeit" nennt, so heißt das
nicht einen Staatsmann charakterisieren,
sondern verunglimpfen. Und wenn Herr
von Häusser Thugut unter die „ener-
gischen Bösewickte" rangirt, so ist dies,
gelinde gesagt, eine pamphletische Lächer-
lichkeit. Weil Thu gut, dem jede nicht
durchaus nothwendige Mittheilung schäd-
lich schien, sehr zurückhaltend war, machte
man ihm den Vorwurf übertriebener
Verscklossenheit. Nun gewiß war Thu-
gut die Verkörperung des paradoxen
Tal leyra n d' scken G rundsatzes: der
Mensch habe die Zunge erhalten, um;u
schweigen, aber gerade das zeichnete den
echten Staatsmann, zu dessen Haupt»
tugenden unter allen Umstanden Ver»
schlossenheit gehört. Wenn nun Herr ^on
Vivenot in seinem Rettungsversuche
Thu gut's denselben immerhin nicht
retten konnte, so hat er doch die Schliche
und Umtriebe der preußischen Politik auf-
gehellt und nachgewiesen, daß jene
Staatsmänner, mit denen Thu gut zu
verkehren hatte, eben auch nicht Tugend«
mufter gewesen, und sowie jene ein starkes
Preußen anstrebten, er ein starkes Oester-
reich zu schaffen suchte. Alles in Allem:
Thugut mag falsche Mittel angewendet
haben, aber er war darum nicht weniger l Thugut
ein bedeutender Staatsmann und ein Pa»
triot vom reinsten Wasser. Im Uebrigen
weiß ja alle Welt, daß Diplomaten keim
Heiligen sind.
Viuenot (Alfred Ritter von). Thu gut.
Clarfant und Wurmser. Original-Docu-.
mentr aus dem k. k. Haus-, Hof« und Staats-
archiv und dem k. t. Kriegsarchiv in Wien
vom Juli 1794 bis Februar 1797. Mit einer
historischen Einleitung (Wien 1869, Brau»
müller. 8°.). — Derselbe. Vertrauliche
Briefe des Freiberrn von Thu gut. zwei
Bände (Wien i872. Braumüller. 6".). sDer
O'arton „Gedeime Korrespondenz", welcker
mit nahezu 14W Briefen des Staatäkanzlers
von Thugut im Nieneu geheimen Haus'.
Hof- und Staatsarchiv dem Autor dieses
Buches Ritter von Vivenot in die Hände
fiel, trug auf d?m Titelblatte von «nbe
kannter Hand in Fraoturschrift die omineusen
Verse.- „Der Mann. der hier in diesem Grabe
ruht, I Ward nie geseh'n, doch wird der Wand'rer
ihn erkennen, ! Wenn er hier liest.- Jetzt tkut
er nichts, drum tbut er gut. > Der Nach'
welt schämt man sich, den Namen selbst zu
nennen".^ — Gräffer (Franz). Iosepdinische
Curiosa u. s. w. (Wien 1830. I . Klang. 8<>^
Bändchen IV, S. 30?. — Der Iacobiner
in Wien. Oesterreichische Memoiren aus
dem letzten Tecennium des achtzehnten Jahr-
Hunderts (Iürich und Wintertdur 1842. lite-
rarisches Comptoir, 8") S. 2i2 bis 2lg.
^Daselbst werden nachstehende auf Thu gut's
Namen sich beziehende Verse mitgetheilt: „Als
einst Dein Ähnherr Thunichtgut das Ruder
führte j Von jenem Kahn, worin bei stürmisch
finstrer Nacht l Der Kaiser Karol fubr. und es
so gut regierte, I Daß er den Kaiser hat ganz
wohl ans Land gebracht. ! Hat Kar l . um
diesen Dienst in Gnaden zu erkennen. ! Thu-
aut statt Thunichtgut den braven Mann
genannt. ! Da Du des Staates Tcdist so
schlecht mit Deiner Hand Z Negierst, soll man
Dich Tbunichtgut auch wieder nennen".) —
Lebensbilder cmö dem Befreiungskriege
I. Ernst Friedrich Herbert Graf von Münster
(Jena t845, Friedrich Fromman, gr. 8".).
Zweite vermehrte Auflage. Erste Abtheilung
S. 209 und 438 bis 462. — Maj läth (Io
bann Graf). Geschichte des österreichischen
Kaiserstaaieä (Hamburg. Perthes. 8°.). Bd.V,
S. il)4, 106, 114, 116. 202. 203. 205. 206.
218 227, 244, 245. — ^ l>u v o I! e V i o-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Thugut-Török, Band 45
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Thugut-Török
- Band
- 45
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1882
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 324
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon