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) Wenzel Johann 59 Tomaschek) Wenzel Johann
Schulhof ^Bd. XXXII , S.
Bocktet M . I I , S. 5^, Dessauer
^Bd. HI , S. 233^, Worzischek,
Wür f fe l . Auch als er 1823 Wilhel-
mine geborene Ebert als Gattin heim-
führte, änderte sich in dem Verhältniß zu
seinem Mäcen, dem Grafen Bucquoi
nichts. Nur bewohnte er sein eigenes Haus,
im Uebrigen bezog er sein ansehnliches Ge-
halt, außer welchem er noch das Honorar
für seine Werke, sowie für den ertheilten
Unterricht erhielt, wodurch er sich eine
angenehme Existenz schuf. I n der That
war auch sein Haus einer der vornehm-
sten ästhetischen Brennpunkte Prags. Den
ganzen Winter hindurch fanden bei ihm
die interessantesten Soireen statt, Fremde
aus allen Ländern suchten ihn auf und
selten verließ ein zugereister Sohn
Albions die böhmische Königsstadt, ohne
Meister Tomaschek besucht zu haben.
Das Verhältniß des Lehrers zu seinen
Schülern war ein wahrhaft patriarcha-
lisches. Im Gespräche war Tomaschek
geistreich, äußerst lebhaft, mitunter saty-
risch, aber immer liebenswürdig, so lange
sich dasselbe um Literatur und Kunst, in
welcken beiden er dilettirte, und andere
Gegenstände als Musik drehte. Sobald
aber diese das Thema bildete, war er
weniger angenehm, mitunter schroff und
meist autokratiscb. Darin ließ cr beson-
ders in seinen älteren Tagen keine andere
Meinung gelten, als die eigene, und nach
der Angabe eines seiner ihm sonst volle
Gerechtigkeit zollenden Biographen ver-
stieg sich das stolze Selbstbewußtsein seines
schöpferischen Werthes in der letzten Zeit
bis zur Selbstvergötterung. Auffallende
Belege dafür finden wir in seiner tage-
buchartig fortgeführten Selbstbiographie,
welche Klar's Taschenbuch „Libuffa",
Jahrgang ls47 und folgende, enthält.
Seiner äußeren Erscheinung nach war Tomaschek von imposanter hoher Ge<
stalt, mit breiten Schultern und einem
noch im höheren Alter rüstigen Gange
und kerzengerader Haltung. Als Ton-
meister zählt er zu den ersten unserer Zeit.
Mit einer reichen originellen feurigen
Phantasie verband er gebildeten regeln«
den Verstand. Seine Werke sind reich an
Ideen, voll tiefer Charakteristik und durch
den reinen lauteren Satz besonders her-
vorragend. Aller Charlatanerie, aller
Oberflächlichkeit abhold, schuf er im klein»
sten Tonstück ebenso ein vollendetes Kunst-
werk als in seinen großen Kompositionen.
Dabei componirte er nichts weniger als
langsam oder gar ängstlich. In seinen
Improvisationen auf dem Piano aber war
er hinreißend, und es ist ein Verlust für
die Tonkunst, daß dieselben nicht aufge-
zeichnet wurden. Jede seiner Schöpfun-
gen trägt den Charakter, die dem Ton-
stücke zukommt, jene zu Schiller's und
Goethe's Gedichten ganz das Gepräge
des Geistes dieser unter sich so verschiede«
nen Genien der deutschen Dichtung; und
wie himmelweit verschieden sind wieder
seine Comvositionen zu den öechischen
Liedern der Königinhofer Handschrift, in
denen er sich genau in den Rhythmus des
Altäechischen hineindachte. Nngetheilte
Anerkennung erwarb er sich durch seine
wahrhaft majestätischen Kirchencomposi'
tionen, die im reinsten und edelsten Style
gehalten sind. Die darin eingewebten
Fugen, voll contrapunktischer Tiefe und
dabei doch leicht faßlich, imponiren auch
dem Laien durch ihre Großartigkeit,
während sie den Kenner zur Bewunderung
hinreißen. Obgleich er nun in der Kirchen-
musik Großes leistete, so scheint doch das
eigenste Wesen seines musikalischen Geistes
zur dramatischen Composition hinzu-
neigen, wie ja dies selbst aus seinen
kleinsten fast durchwegs dramatischen
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Toffoli-Traubenburg, Band 46
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Toffoli-Traubenburg
- Band
- 46
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1882
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 330
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon