Seite - 60 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Toffoli-Traubenburg, Band 46
Bild der Seite - 60 -
Text der Seite - 60 -
Tomaschek, Wenzel Johann 60 Tomaschek, Wenzel Johann
biedern heraustönt. Seine Oper „Sera-
phine", Text von Dambeck, fand
trotz des verunglückten Tertes, der nur
eine ungeschickte Bearbeitung des nichts
weniger als geschmackvollen Librettos zu
Mozart's „Belmonte und Vonstanze"
ist, in Prag doch großen Beifall. Später
traten Chicanen dieser Composition ent-
gegen, und dies, sowie der Umstand, daß
es an brauchbaren Textbüchern fehlte,
scheint ihm die weitere Thätigkeit auf
dem Gebiete der dramatischen Musik ver»
leidet zu haben. Denn so viel bekannt,
hat er nur noch eine Oper: „Alvaro" bis
fast zur letzten Feile und einen Act der
Oper „Sakontala" vollendet, jedoch ge-
langte von beiden nichts in die Oeffent-
lichkeit. Betreffs seiner Operncomposi«
tionen äußerte sich der Meister selbst, als
Freunde in ihn drangen, seinen „Alvaro"
zur Aufführung zu bringen, folgender-
maßen: „Ich habe mich wegen meiner^
„„Seraphine"" halb krank geärgert und !
im Stillen den Eid geschworen, nie wieder i
mit Prags intriguanten Theatercapell-
meistern mir etwas zu schaffen zu machen,
diese Herren ziehen immer das, zu dem
sie sich nicht hinaufschwingen können,
herab zu sich". I n seinen Clavierstücken
bahnte er ganz neue interessante Genres!
an, als Eklogen, Dithyramben und höchst!
eigenthümliche Rhapsodien, welche freilich i
dann von oft talentlosen Piano-Reisenden !
(man kann eine gewisse Sorte neuerer!
Virtuosen nur den Onumis vova^Oiii-L) !
Weinreisenden oder solchen, die in Choco-
lade machen, gleichstellen) bis auf das:
„Wie er sich räuspert und wie er spuckt,
haben sie treulich ihm abgeguckt", nach- j
geahmt und bis ins Triviale verzerrt!
wurden. Ein edles Werk hinsichtlich seiner!
Charakteristik und Vollendung in der!
Durchführung ist sein Opus 65, die bei
Marco Berra in Prag erschienenen ^ r o für das Piano; in der ersten
malt er voll Kraft und Stärke den römi-
schen, in der zweiten mild und graziös den
griechischen Charakter in Tönen, in der drit-
ten verschmelzt er beide in Eins und liefert
in dieser Verbindung des Rauhen mit dem
Zarten ein Meisterstück sonder Gleichen.
Seine Eklogen und Rhapsodien gelten
als wahre Probirsteine guter Klavier-
spieler und werden von Kennern und
Virtuosen von Gottes Gnaden mit Vor-
liebe gesucht und gespielt. Mit dieser
classischen Vollendung in der Compofition
— man nannte ihn nicht mit Unrecht
„den Schil ler in der Tonkunst" —
verband Tomaschek eine Kenntniß in
der Theorie, in welcher ihm wohl nur
noch die Altmeister Bach, Händel,
Haydn gleichkommen. Unstreitig zählt
er zu den ersten musicaliscken Theoretikern
der Gegenwart. Doch nicht ,zu jenen, von
denen es heißt: „Grau, Freund, ist alle
Theorie", sondern zu jenen, die ihre
Theorie mit den frischen grünen Früchten
der Praxis durchweben. Er gilt bei Ken-
nern immer als Karyatide der classischen
Musik, er war in einer Zeit zunehmender
musikalischer Verflachung einerseits, der
Ueberschreitung aller Grenzen des guten
Geschmacks in der Musik andererseits, der
treue Eckart des edlen geläuterten Kunst-
sinnes. Sein Unterricht und sein Vorbild
hat eine Menge tüchtiger Kunstjünger
herangezogen, aus England, aus Ruß-
land, aus Polen kamen sie gewallfahrtet,
die Schüler, und von ihm herangebildet,
trugen sie die Traditionen eines vollen-
deten Pianospiels in jene fernen Gegenden
und bildeten lange Zeit einen Damm
gegen die Pseudo-Virtuosen, welche gegen-
wärtig freilich sich wieder mehren wie die
Kinder Israels, aus deren Reihen sie vor»
herrschend sich recrutiren. Die Zahl der
Compositionen Tomaschek's geht über
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Toffoli-Traubenburg, Band 46
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Toffoli-Traubenburg
- Band
- 46
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1882
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 330
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon