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Trattner, Johann Thomas 289 Krattner, Johann Thomas
nichts verdammen, wenn in Europa Hol
land, zur Zeit das vorgeschrittenste aller
Länder, Nordamerika ungescheut den Nach>
druck übt? Dazu kommt noch, daß derselbe
in Oesterreich gar nicht verboten war, sondern
vielmehr gern gesehen wurde, indem Trat t
ner durch ihn in nicht geringem Maße zur
allgemeinen Bildung beitrug, da er die kost
fpieligen classischen deutschen und in ihrer
vollständigen Fassung nur selten gestatteten
Werke, mit Weglassung der beanständeten
Stellen, um einen für das Volk erschwing«
lichen Preis demselben zugänglich machte und
verbreitete. Nie würden unsere großen deutschen
Schriftsteller Goethe. Schil ler. Herder,
Lessing, Wieland in Oesterreich so be«
kannt geworden sein. wie sie es in der That
sind, wenn nicht die censurirten und billigeren
Ausgaben des Nachdruckes die Verbreitung
unserer Classsker im Kaiserstaate ermöglicht
hätten. Bemerkenswert!) ist. wie Trat tner
sein Verfahren, das sich
streng rechtlich gewiß nie
billigen läßt, zu rechtfertigen suchte. Als er auf
der Leipziger Messe mit dem Buchhändler
Nicolai , dem er mehrere Verlagöartikel
nachgedruckt hatte, zusammentraf, hielt ihm
derselbe das unrechtmäßig? Gebaren vor.
„Was habe ich so Strafbares gethan", er«
widerte Trattner, „ich kaufte Ihr Buch, ?ö
war mein, ich konnte also nach unseren Ge-
setzen damit machen, was ich wollte, es lesen,
verschenken, wieder verkaufen, abschreiben, ab»
drucken lassen, wie es mir gefiel". Nicolai
schwieg, und die Sache schien abgethan. Als
sich Trattner höflich grüßend entfernen
wollte, rief ihm Nicola i nach: „Ach. Sie
haben da einen sebr hübschen Stoss. Ich möchte
einen solchen haben. Wo haben Sie ihn ge«
kauft?" „ In Augsburg", lautete die Antwort.
„Also wird er wohl hier nicht zu bekommen
sein", meinte Nicolai . „Ich zweifle sehr",
entgegnete Trat tner, „da er Ihnen aber
gefällt und ich überdies wieder nach Augsburg
reise, überlasse ich Ihnen den Stock gern".
„Ich danke Ihnen", erwiderte Nicola i ,
„Sie thun mir damit einen großen Gefallen".
Man wurde einig, Nicolai zahlte den ge-
forderten Betrag und nahm den Stock. Kaum
aber hatte er ihn in der Hand. so faßte er
Trat tner an der Brust und machte Miene,
ihn zu schlagen. „Was soll das heißen", schrie
der Angegriffene. ' ..Ist", rief Nicola i . ..der
Stock nicht mein? Ich zahlte Ihnen, was Sie
forderten, und kann nun nach Ihrer Marime
damit machen, was ich will". — Bekannte,
o. Wurzbach, biogr. Lerit'on. Xl.VI. ^Gedr die in der Nähe standen, mischten sich in den
Handel und suchten den Streit zu schlichten.
— „Beruhigen Sie sich nur. meine Herren",
rief Nicolai den Friedensstiftern zu, „dieser
Herr ist ein Nachdrucker, und ich bewies ihm
nur seine Marime", und höflich grüßend,
Trat tnern und die Uebrigen. so hinzu-
getreten waren, stehen lassend, ging er seines
Weges weiter. — Die nachhaltigste Rache für
den von ihm entschieden verworfenen, und
doch von Trat tner ausgeübten Nachdruck
nahm Bluluauer an dem in Rede Stehenden
durch die auf dem Titel des zweiten Theiles
seiner travestirten Aeneide angebrachte Vignette
s^iehe 2. 28s „Satirisches Bild auf Trattner"^.
Die Karyatiden des Trattnerhofts am Graben
in Wien. Ich babe die folgende Mittheilung
aus dem Munde des ehemaligen Archiv'
Directors T r im l (Pseudonym Emil) im
Ministerium des Innern, der. obgleich zuz.-
Zeit, als ich in dieses Amt eintrat, schon län-
gere Zeit vensionirt, dasselbe von Zeit zu Zeic
zu besuchen und bei mir vorzusprechen liebte.
Wir gingen eines Tags über den Graben
und neben dem Trattnerbofe vorüber. Auf
die Karyatiden weisend, begann T r i m l :
„Eine dieser Statuen mit ihrer merkwürdigen
KMude — e5 sind zwei. riesige Gestalten,
deren eine dem Beschauer ihre Rückseite zu>
kehrt — hat ihre eigene Geschichte, und ich
habe diese aus dem Munde eines Freundes
des Erbauers Ioh. Tkomas Trattner.
Das Geschäft, in welchem Letzterer arbeitete,
befand sich damals im Freisinger Hofe, der
an ebenderselben Stelle stand, auf welchrr
jetzt der Trattnerhof sich erhebt. Der noch
junge Trat tner bemerkie an einem Fenster
im zweiten Stockwecke des gegenüberliegenden
Hauses eine junge Dame. die regelmäßig da»
selbst zu
sitzen
pflegte. Ob mit, ob ohne Absicht,
genug, die Blicke des jungen Trattner an
einem Fenster des Freisingerhofes und jene
des jungen Mädchens im Fenster des gegen-
überstehenden Hauses begegneten sich öfter.
Cr glaubte auch ein Erröthen der Jungfrau
entdeckt zu haben, kurz eö fch!en ihm, als
bezeuge idm dieselbe ein mehr als gewöhn,
liches Interesse. Auch er füblie sich bald zu
derselben hingezogen, und nachdem längere
Zeit dieses stumme und beredte Zwischenspiel
beider jungen Leute gedauert, nabm er sich
ein Herz und wollte mit seinen Gefühlen
offen auftreten, durch das Verhalten d?s
Mädchens dazu ermuntert. Er trug sich da-
2. Noo. 1882.) ^9
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Toffoli-Traubenburg, Band 46
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Toffoli-Traubenburg
- Band
- 46
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1882
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 330
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon