Seite - 176 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Traubenfeld-Trzeschtik, Band 47
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Treumllnn, Karl 176 ) Karl
aber fanden ne ihn auf die Knie ge
funken, ohnmächtig und nach Athem
ringend. Man holte sofort ärztliche Hilfe,
die auck gleicb zur Hand war. Es wurde
constcmrt, daß ihn ein Schlagfiuß gc»
iroifen, aber zum äußersten Mittel, einem
Aderlaß, konnte man sich nicht cnt-
Mießen!! Der Kranke kam nicht mehr
zum Bewußtsein und war um drei Nhr
nacd Mitternacht eine Leiche. Dieselbe
ruht auf dem Döblinger Ortsfriedhofe,
und der Photograph Mutterer hat von
dem Denksteine, welcker das Grab
schmückt, ein Lichtbild abgenommen.
Treu mann hatte sick zweimal vermalt.
Seine erste Frau war, wenn Heraus-
geber nicht irrt. die Balleteuse Oringe r.
Seine zweite Frau — eine Schönheit in
Gestalt und Antlitz seltener Art — über-
lebie ibn. Er war kein Komiker, wie man
sicb einen solchen denkt, wen:i man die
^amen S cb o l z, N e st roy, )>t a i m und,
S cd u
st er u. A. nennt. Er war vor«
berrscbend Ehargeuspieler, Verkleidungs'
küustler und in dieser Nicktung einzig in
seiner Art. Seine Levafsoriaden waren
Nackahmunqen, die man selten genug zu
sehen bekommi. Seine Gegner machten
ihm sein wunderbares Nacbahmungstalent
zum Vorwurfe und benutzten es, um an
seiner künstlerischen Bedeutung zu mäkeln.
Sie nannten seine Levassoriaden gemein-
hin nur Copien einer an und für sich
schon bestehenden Eopie, denn die meisten
Figuren Levassor's, so dessen Eng-
länder, sind ja selbst nicht Originale.
Levassor, argmnentiren sie weiter, ist
ein Oua-Brite, macht Herr Treu mann
einen Oua-Levassor, so ist er, mit
Nestroy zu sprechen, ein Oua-qua. Und
da wird er dock kein Künstler sein wollen.
Man sieht, wie die übelwollende Kritik
perfid sein kann. Aber trotz alledem kann
sie ihm nicbts von seinem Ruhme nehmen. Er wird in ler Geschichte der Wiener
Volksposse immer einen hervorragenden
Platz behai pten, ist er auch kein Komiker
im gewöhnlichen Sinne des Wortes, so
war er doch der universellste komische
Charakter der Wiener Bühne. Den komi-
schen Typus eines S ch o l z trug er frei»
lich nicht an sich, auch verstand er es
nicht, wie Nestroy, in grotesker Weise
in einzelnen Figuren deren ganze Zeit»
epoche herauszuprägen. Schwebte Trer»
mann auch mehr auf der Oberfläche der
Dinge, besaß er auch nicht die Gabe zu
durchdringen, so war er desto geeig<
neter, zu umfassen, ein einzelnes Indi^
viduum im Nu von allen Seiten und mit
allen Zügen desselben zu sehen und in
sich aufzunehmen. Den Einzelnen in
dessen gesammter Aeußerlichkeit erfaßte cr
ungefähr wie die Photo sculptur, welcke
von zwanzig Seiten zu gleicher Zeit pho-
tographirt. Wie Nestroy von innen
Hera u s, so arbeitete T r e u m a n n
gleichsam von außen hinein. Dieses
Talent für Wahrnehmung der Aeußerlich.
keit machte ihn, den Hamburger, besoN'
ders gesckickt, ein österreickiscber Komiker
zu werden, ^ll einem Staate von reli-
giöser, politischer und nationaler Ein»
farbigkeit, bemerkt ein Kritiker treffend,
wäre Treu mann ans Mangel an
Material verkümmert', im überblinten
Staatswesen Oesterreichs schwamm er im
Neichthume der äußerlichen Vielgestaltig«
keit und durfte die Verwerthung derselben
unbekümmert als Raubbau betreiben.
So entstanden seine unzähligen confes-
sionellen (5aricaturen inländischen Ur-
sprungs, denen er bald das gesammte
Ausland anschloß, eine komische Ethno»
graphie ganz neuer Art. Indem er diese
Weise auck auf das bürgerliche Leben
anwandte, erweiterte er seinen Gestal-
tungskreis. Er war immer auf der Sucbe,
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Buch Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Traubenfeld-Trzeschtik, Band 47"
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Traubenfeld-Trzeschtik, Band 47
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Traubenfeld-Trzeschtik
- Band
- 47
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1883
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 309
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon