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TschofeN) Franz Joseph 5
die Soldaten noch da sind, nehmen sie
Reißaus." — „Was soll aus dem 3ande
werden, welches von seiner Obrigkeit
verlassen wird?" — „Warum steht der
Kreishauptmann nicht zu dem Schützen-
corps, dessen oberste Leitung ihm ander«
traut ist?" So hörte man es von allen
Seiten rufen, die Gahrung wuchs von
Stunde zu Stunde, die Furcht flüchtete
hinter Erbitterung, an Stelle des Ver-
trauens traten der Argwohn, die Ge«
hässigkeit, die Privatrache. Und diesen
Augenblick ersah Tschofen, um im
Trüben zu fischen. Die vorgenannten
Bregenzer Herren waren über Feldkirch
in Bludenz eingetroffen. Als daselbst ihre
Ankunft ruchbar wurde, schloß man rasch
die Stadtthore und sagte ihnen rund-
heraus, sie möchten die Weiterreise gut
sein lassen. Man wollte ihnen das vor der
Stadt gelegene Nonnenkloster St. Peter
zum Aufenthalte anweisen und ließ sie
das Versprechen ablegen, daselbst die
Amtsthätigkeit wieder aufzunehmen und
als pflichttreue Obrigkeit bis nach dem
Einmärsche der Franzosen auf dem Posten
zu verharren. Die Herren gelobten es.
Kaum aber hatten sie den Fuß ins Kloster
gesetzt, so gewahrten sie, daß sie Ge-
fangene der „BludenzerPatrioten" waren,
welche ihnen die kostbaren Waffen ab-
nahmen und sofort unter sich vertheilten,
während bewaffnetes Volk die Ausgange
besetzte. Durch Sturmläuten wurden die
Gemeinden des Montafoner Thales her«
beigelockt, um die zu St. Peter auf-
gefangenen „Landesverrather", wie das
Volk die Flüchtigen nannte, bewachen zu
helfen. Die Montafoner kamen, und nun,
„da die Herren im Loche staken", waren
sie selbst die Herren, und der Tanz ging
erst recht los. Die Klosterküche lieferte
das Effen, der Keller den Wein; die
Köpfe wurden immer erhitzter, die Er« l9 Tschofen, Franz Joseph
bitterung gegen die Gefangenen immer
größer. Rachsucht begann nun ihre ersten
Proben. Vor Mitternacht drang ein
Haufe der Aufgeregtesten in das Zimmer,
in welchem Indermauer und von
Franz in in peinlichster Erwartung
dessen, was da komme, beisammen saßsn.
.Beide wurden nun auf das entsetzlichste
mißhandelt. Den inständigen Vorfiel-
lungen des Beichtvaters des Klosters
gelang es endlich, die Tobenden zu be-
schwichtigen, und Vonier, ein ange-
sehener Mann unter den Montafonern,
unterstützte den würdigen Priester auf
das wirksamste. Da ließ der Pöbel vor
der Hand von den beiden Gefangenen
ab. Doch die Beschwichtigung war nur
von kurzer Dauer. Neue aufgestachelte
Banden — die ganze Aufregung nährte
Tschofen — erschienen. „Laßt sie uns
in Stücke hauen — nein, mit den Zähnen
zerreißen!" We Vorstellungen des Beicht-
vaters, alle Versuche Vonier's blieben
erfolglos. Alles, was sie erreichten, war
eine Stunde Aufschub. An diese Stunde
knüpfte Vonier die Hoffnung, die Opfer
zu retten und in Sicherheit zu bringen.
Aber wieder wurden die Massen bearbeitet
und ihnen beigebracht: man wolle sie
verrathen. Kurz, die Aufgeregten ließen
sich nicht langer halten und sprengten
die Thür ein, und nun erlitten Inder-
mauer, Franzin und Weber in
qualvollster Weise unter Kolbenschlägen
den grauenvollen Tod. Darauf sielen die
Mörder über die Habseligkeiten ihrer
Opfer her und nahmen an Geld bei
siebentausend Gulden fort. „Der Orga-
nisator", schreibt der Geschichtsschreiber
dieser traurigen Episode, „welcher diese
Scenen vorbereitete und ausführen ließ,
und dessen gefügiges Werkzeug das rohe,
n Patriotismus aufgestachelte Volk ge-
worden, war Franz Joseph Tschofen.
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Buch Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Trzetrzewinsky-Ullepitsch, Band 48"
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Trzetrzewinsky-Ullepitsch, Band 48
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Trzetrzewinsky-Ullepitsch
- Band
- 48
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1883
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon