Seite - 165 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Trzetrzewinsky-Ullepitsch, Band 48
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Tuvora 168 Tuvora
theilten sie Zettel mit einer Ministerliste
aus, an deren Spitze Joseph Tuvora
als Minister des Aeußeren und Conseils«
Präsident, Hafner als Minister des
Inneren zu lesen waren. Einige Zeit hörte
man ruhig zu, endlich aber eilten Ginige,
welche dieser Revolutionsspuk nicht ver-
bluffte, auf die Bezirkshauptwache der
Nationalgarde im Eszterhäzy'schen
Palais, um die Aufrührer festnehmen
zu lassen. Den Verhafteten eilte das
Volk nach, um sie zu massacriren, und
Schlögl gedenkt in seinem köstlichen
Buche „Wienerisches" der ergötzlichen Be«
gegnung Beider mit dem Grafen Sän-
dor. Hafner und Tuvora wurden
nun in sicheren Gewahrsam gebracht,
zuerst ins bürgerliche Zeughaus, dann
ins Polizeigebäude und von da in das
in der Alservorstadt gelegene Criminal'
gebaude. Nach kurzem summarischen Ver-
hör beschloß das Gericht ihre Versetzung
in Anklagestand wegen Hochverraths,
gegen welchen Beschluß Tuvora wie
Hafner den Recurs anmeldeten. Beide
läugneten hartnäckig, die Republik aus-
gerufen zu haben: es sei nur die consti-
tutionelle Monarchie und eine proviso-
rische Regierung gewesen, wofür sie ihre
Bemühungen eingesetzt hätten. Gritz«
ner's bei Schabelitz in Zürich 1867 er»
schienenes „Flüchtlingsleben" straft diese
Behauptung Lügen und berichtet, daß
Hafner's Ziel in der That die Republik
gewesen sei. Aber der 26. Mai, der
Tag der ersten Barricaden in Wien,
brachte Beiden ihre Befreiung. Die Auf»
regung war in der Zwischenzeit durch
fremde Elemente, die sich mit jedem Tage
mehr in Wien eingeschlichen hatten, ge-
nährt worden. Der eigentliche Wiener
Geist kam immer mehr und mehr ab-
handen. Das Ministerium zeigte sich
auch den Zeitverhältnissen nichts weniger denn gewachsen. Am 26. Mai stürmte
denn eine bis an die Zähne bewaffnete
Schaar Studenten und Arbeiter, Gritz»
ner an der Spitze, nach dem Trattner-
hofe, in die Wohnung Pil lerstorff 's,
des damaligen Ministers des Inneren,
und verlangte von demselben einen Be-
fehl zur Freilassung Hafner's und Tu-
vo ra's. Der terrorisirte Pi l lerstorff
stellte den Befehl aus, und nun stürmte
diese „Schaar der gesetzlichen Ordnung"
durch die Stadt über das Glacis zum
Criminalgebäude, wo die Gefangenen
aus ihren Zellen geholt, auf die Schultern
gehoben und lärmend im Triumphe in die
Stadt gebracht wurden. Dann veröffent-
lichten Beide eine Erklärung, welche nichts
als Unwahrheiten enthielt, und worin sie
Alles, dessen man sie beschuldigte, als
Verleumdung hinstellten. Nun arbeitete
Tuvora am „Freimüthigen" fort, er«
scheint auch als Hauptmitarbeiter auf
dem am 16. Juni 1848 zum ersten Male
ausgegebenen von A. I . Becher redigir-
ten „Radicalen" und seit 6. August
(Nr. 107) in Gemeinschaft mit Isidor
H e l l e r als Redacteur des „Frei-
müthigen", auf dem als verantwort-
licher Redacteur Mahler genannt ist.
Da brachten die verhängnisvollen October-
tage eine überraschende Wendung im
Leben und Handeln Tuvora's. Der
radicalste aller Radicalen, der Repu-
blikaner von Gumpendorf, der Alles<
was schwarzgelb war, wie damals Alles
hieß, was zur gesetzlichen Ordnung hielt,
mit Stumpf und Stiel ausrotten wollte,
war eines schönen Octobertages, als
Wien von den Serezanern Ielaöi^'s
bedroht wurde, in dessen Lager über-
gegangen, hatte Alles, was er bis dahin
verbrochen, schwer zu bereuen erklärt und
seinen Uebergang vom Radikalismus zum
ekelsten Serviliämus einfach mit den
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Buch Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Trzetrzewinsky-Ullepitsch, Band 48"
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Trzetrzewinsky-Ullepitsch, Band 48
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Trzetrzewinsky-Ullepitsch
- Band
- 48
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1883
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon