Seite - 179 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Trzetrzewinsky-Ullepitsch, Band 48
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erhoben, und nur Noth und Elend haben es
verschuldet, daß er nicht ein vollendeter Classiker
seiner Nation geworden, wozu alle Elemente
in ihm lagen. Mit der Gründung der Zeit-
schrift „Xvet?", d. i. Die Blüten, welche er
gelbst einige Jahre leitete, an welcher er aber
noch immer vorwiegend sich betheiligte, nach«
dem er die Redaction niedergelegt hatte, brachte
er neues Leben in die bis dahin ziemlich inhalt'
lose cechischeLiteratur.Im Vereine mit mehreren
jungen Talenten, wie Langer ^Bd. XIV,
S. 111), Tupy j^S. 434 dieses Bandes).
Erben M . IV, S. 60). Sabina IMnd
XXVII I , S. 6) und dem weitaus genialsten
Mächa l'Bd. XVI, S. 193). schuf er die
moderne Richtung der öechischcn Literatur,
schlug die Anhänger der alten abgelebten
Formen aus dem Felde und machte das Leben
der böhmischen Gesellschaft, wie es sich in
höheren und niederen Kreisen abspielt, zum
Stosse des heimischen Romans und der Er»
zählung. Er hatte es eine Zeit lang mit einem
bedeutenden Gegner, mit 6 ' e l a k o w s k ^
^Bd. I I , S. 2—^ zu thun. aber dieser, sobald
or die Berechtigung der neuen Wendung in
der Literatur anerkannte, räumte selbst das
Feld. Frühzeitig, und zwar früher als das
Gebiet der Novelle und Erzählung, betrat
Ty l jenes der dramatischen Dichtung. Mit
der Uebersetzung des „Hans Sachs" von Dein»
hardstein beginnend, brachte er dann seine
„Belagerung von Pilsen". Zum Benefiz eines
Freundes hatte er. fünfzehn Jahre alt (1833),
srin erstes Originaldrama: ^V>Kou Duo"
geschrieben, es aber ungeachtet der beifälligsten
Aufnahme als ungenügend verbrannt. Nun
aber folgte Stück auf Stück, Erzählung auf
Erzählung, und die Periode von 1836 bis
1846 war eigentlich die Blütezeit seines
Schaffens, denn in dieselbe fallen seine schönsten
Erzählungen, Novellen und Romane, und
unter den letzteren sind seine historischen die
gelungensten. 1846 gerieth er wegen seines
preisgekrönten Romanes „Der letzte öeche'
mit dem damaligen Redacteur der „^Vöola"
d. i. Die Biene, Karl Havli6ek in eine
ernste, höchst unerquickliche Polemik, welche
zur Folge hatte, daß er von nun ab keinen
Roman mehr schrieb und sich ausschließlich
der Bühne zuwandte. Er dichtete zwar noch
einige kleinere Novellen, war auch als Iouv
nalist und Redacteur des „Präger Boten"
(I?ra22k^ V026I) geraume Zeit thätig und
suchte vornehmlich auf die Bildung der unteren
Volksschichten einzuwirken, wobei er sich auch als ganz gewandter und tüchtiger Volksschrift»
steller erwies. Aber die Hauptsache blieb ihm
doch immer die Bühne, besonders von dem
Tage ab. an welchem er unter Director Hof«
mann die mühevolle Stelle eines Drama«
turgen der öechischen Bühne übernahm. Nun
wurde seine Lage eine peinlichere, weil die
Ränke der Rivalen und der ihm feindseligen
Coterien, welche sogar seine unglückseligen
häuslichen Verhältnisse zu ihrem Vortheile
auszubeuten suchten, ihm seine Stellung all-
mälig so sehr verleideten, daß er endlich den
Entschluß faßte, Prag zu verlassen, und den«
selben auck ausführte. So organisirte er denn
in der Doppelabsicht, das üechische Theater
auf dem Lande zu heben und Kräfte für das
ins Leben zu rufende Nationaltheater heran«
zubilden, eine in ihrer Art gute und anständige
Wander'Schauspielergesellschaft. Mit derselben
zog er herum, bis er in Wodnian lebens-
gefährlich erkrankte, und als er in diesem
Zustande von Wodnian nach Pilsen kam, erlag
er daselbst im kräftigsten Mannesalter seinen
Leiden. Konnte Tyl als Nomandichter nickt
durchgreifen, so hat er für die Hebung der
öechischen Bühne mehr geleistet, als Jemand
vor ihm und neben ihm, wenngleich er als
Mime selbst sich nicht über die Mittelmäßig,
keit erhob. Er bereicherte das Repertoire mit
einer großen Anzahl guter Uebersetzungen und
geschickter Bearbeitungen deutscher und franzö»
sischer Stücke besserer Gattung. Er schrieb viele
Originalarbeiten und darunter vornehmlich
treffliche Volksstücke; Manches leider trägt in
Folge seiner dramaturgischen Verpflichtungen
das Gepräge der Eilfertigkeit. Als Lyriker
war er bedeutungslos, wenngleich einiae seiner
Lieder, wie sein ^ ä o äomov inü^'" von
Skroup und andere von Zvonar und
Houorka in Musik gesetzt worden sind. Sein
Styl war elegant, faßlich, lebendig und voll
schöner Gedanken, er ging von Herzen zu
Herzen. Besonders durch Anschmiegung an
nationale Ideen und Gewohnheiten verstand
es Ty l , die von ihm dargebotenen Geistes»
fruchte auch dann anlockend zu machen, wenn
sie nicht im eigenen Garten gewachsen. Er hat
das Verdienst, der Schöpfer der öechischen
Conversationssprache zu sein, er war es, der
die Grenzen des öechischen Lesepublicums
ungemein erweiterte, er war es, der durch
seine Schriften und nebenbei durch Anregung
und Belebung der sogenannten Vs5sä?
(musikalisch'declamatorischeUnterhaltungenund
Kränzchen) zur Weckung des Interesses für
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Buch Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Trzetrzewinsky-Ullepitsch, Band 48"
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Trzetrzewinsky-Ullepitsch, Band 48
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Trzetrzewinsky-Ullepitsch
- Band
- 48
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1883
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon