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Tyssoroski 190 Tyssowski
völlig unvorbereitet war, so geschah es,
daß die von österreichischen Truppen
nur in höchst ungenügender Weise besetzte
Stadt sckon am 23. Februar von diesen in
Folge der in Massen herbeiströmenden Auf-
standischen geräumt werden mußte. Unsere
Quelle gibt ein recht anschauliches und sach-
getreues Bild der damaligen Zustände.
Der Senatsprasident Abbö Schindler
brachte sich in Sicherheit, die übrigen
Senatsmitglieder wollten nicht mehr
Senatoren, sondern einfacd Bürger heißen,
und so bildete sich im Hause des Grafen
Ios. Wodzicki unter dessen Vorsitz ein
S:cherheitscomit6, dessen ganze Thätigkeit
in Abfassung einer Proclamation sich
concentrirte, und welchem schon nach
kaum drei Stunden ein Ende gemacht
wurde. Nach acht Uhr Abends erschien
auf dem Rathhause unser Held, der vor
Jahren vor einer kreisamtlichen Commi
sion seinen Jugendirrthum bereuend,
erklärt baite, sein Blut in jedem Augen-
blicke unter Oesterreichs Fahnen zu ver-
spritzen, Jean Tyssowski, in Gemein-
schaft mit Ludwig Gorzkowski und
Alexander Grzegorzewski in polni-
scben Nationalschärpen an der Spitze von
mehr als dreihundert uniformirten Kra-
kusen und löste das erwähnte Comite
mit der Eröffnung auf: daß sie in Folge
einer in Paris am 21. Jänner gehaltenen
Sitzung von der allgemeinen Verschwö-
rung mit der Nationalregierung bestellt
worden seien, worauf das Comitä vom
Ruder zurücktrat und die oberste Gewalt
unbeanstandet in die Hände der oben-
genannten Drei überging. I n dem soge-
nannten grauen Hause, auf welchem
sofort die polnische Nationalfahne auf-
gesteckt wurde, schlug die neue Regie-
rung ihren Sitz auf und rief die Revo-
lutionsbehörden ins Leben. Noch am
22. Abends und am 23. Vormittags erschienen ihre Beschlüsse oder Manifeste.
Der Regierungsadv ocat Piemierzik
las dieselben vom Balcon des grauen
Hauses ab, und die zahlreich versammelten
Krakusen leisteten an Ort und Stelle den
Eid. Diese Manifeste wurden nun ge-
druckt und in zahllosen Exemplaren in
alle Provinzen versendet, fanden aber,
wie es sich bald zeigte, nur sehr geringen
Anklang. Die Unfähigkeit der neuen Re-
gierung trat nur zu bald zu Tage. Statt,
wie unsere Quelle schreibt, den kostbaren
ersten Augenblick der Bestürzung der
österreichischen Behörden auszunützen, den
abziehenden General Col l in , der sich
für seine Fehler später verantworten
mußte, mit allen Rebellenhaufen nach-
drücklichst verfolgen zu lassen und die Re-
volution energisch im ganzen Lande zu
verbreiten, statt die nöthigsten Gesetze
und Anordnungen zu allgemeinen Auf-
geboten und Kriegsrüstungen zu erlassen,
begann man zunächst mit Cabalen gegen
die eben ins Leben tretende Regierung
und beschränkte sich nebenbei auf einige
kirchliche und damit im Zusammenhange
stehende finanzielle Operationen. So
wurden denn Gebete vertheilt, Messen,
Processionen zum Danke für den glor-
reich vertriebenen Feind (!), Schauspiele
für den Sieg des polnischen Schwertes (!)
angeordnet. Der Vicar Solarski aus
Bobrok, ein geborener Revolutionär, wie
die Mehrzahl der polnischen Capläne und
Vicare, weihte öffentlich in der Marien-
kirche auf dem Ring die Waffen zum
Kampfe für „die Ideen der neuen Zeit".
Alsdann wurden für die „Sache des
Vaterlandes" die Caffen, das Silber, die
Kirchengefäße derGeiftlichkeit nebst patrio-
tischen Opfern von Privaten in Empfang
genommen. An alledem hatte der Dicta-
tor an und für sich keinen eigentlichen
Antheil. Erst mit dem Manifeste, welches
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Buch Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Trzetrzewinsky-Ullepitsch, Band 48"
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Trzetrzewinsky-Ullepitsch, Band 48
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Trzetrzewinsky-Ullepitsch
- Band
- 48
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1883
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon