Seite - 192 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Trzetrzewinsky-Ullepitsch, Band 48
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Tylsowski 492 Tyssowski
2 Uhr in das Zimmer des Dictators
Tyssowski und klarte diesen über die
Wünsche der Nation und die seinigen
ziemlich unsanft auf. Tyssowski läßt
einige Worte wie Rebell und Landes«
verrather hören, wird aber in der Fort'
setzung seiner Rede durch ein Pistol unter«
brochen, welches Wiszniewski's Sohn
ihm auf die Brust setzt, worauf er seine
Dictatorstelle niederlegt, welche Wisz-
niewski aufnimmt. Das Volk war bei
Anbruch des Morgens in nicht geringem
Grade erstaunt, an allen Straßenecken zu
lesen: man sei seinen Wünschen zuvor«
gekommen und habe Wiszniewski in
Folge des Rücktrittes Tyssowski's
zum Dictator erwählt. Noch mehr aber
erstaunte es, als gleich darauf ein Mani-
fest folgenden Inhaltes erschien: „Der
Dictator an das polnische Volk! Die
beute früh bekannt gemacbte Entsagung
der Macbt zu Gunsten Michael Wisz-
niewski's erkläre ich als durch Verrath
und Waffen erzwungen. In Folge deffen
übergebe ich Michael Wisz niewski dem
Revolutionstribunal. Krakau am 26. Fe»
bruar 1846. Tyssowski, Dictator".
Nun geschah es, daß Wiszniewski
weder um das Revolutionstribunal, noch
dieses um Jenen sich
kümmerte. Da beide
Parteien gleich stark an Zahl, aber auch
gleich unfähig zur Durchführung ihrer
Aufgabe waren, so blieben auch ihre
Häupter, zu denen Tyssowski wie
Wiszniewski sich selber creirt hatten,
eine Weile neben einander bestehen, wo«
durch die Rebellion nicht eben gefördert
wurde. Indessen nahte die Nemesis mit
ihrem zermalmenden Schritte. Oester«
reicher und Ruffen waren im Anmärsche
begriffen, Benedek, der Falke von der
Weichsel, wie ihn das dichtende Volk
^reffend bezeichnete, eilte von Lemberg
herbei. Die beiden Dictatoren wollten mit General Col l in, der inzwischen
mit Verstärkungen erschien, unterhandeln,
^ aber dieser erklärte als braver Soldat,
> daß er mit Rebellen nicht unterhandle,
^ und so suchten sie mit ihrem bewaffneten
Anhange das Weite und überließen Kra-
! kau seinem Schicksale und der Gnade des
Siegers. I n kurzer Zeit siel Tyssowski
in die Hände der kaiserlichen Regierung.
^ Und wie schon einmal, so spielte er auch
j jetzt die Rolle des Reuigen, und machte
! ganz umständliche Geständnisse, wodurch
! er sich seine Hast und sein Loos erleich-
terte. Eine eigentliche Verurtheilung
erfolgte nicht, es wurde nur seine Aus-
wanderung nach Amerika eingeleitet. I n
der That langte er auch zu Anfang des
! Monats März 4847 unter Polizeiaufsicht
^ in Trieft an. Dort erhielt er namhafte
! Geldmittel zur Ueberfahrt, welche in
< Begleitung seiner Gattin auf dem Schiffe
! „Vulcan" stattfand, überdies ließ ihm die
! kaiserliche Regierung auch bei seiner
Landung auf amerikanischem Boden eine
namhafte Summe bei dem österreichischen
Geschäftsträger in Washington Herrn
von Gerold anwelsen. Später erfuhr
man von dem dreitägigem Dictator der
Republik nur seinen Tod, der ein De-
cennium danach zu Washington erfolgte.
Wenn man das Leben dieses Verschwörers,
und zwar nach dessen eigenen Aufzeich-
nungen kennen gelernt, so stellt man sich
unwillkürlich die Frage, wie es geschehen
konnte, daß dieser Mensch, der schon ein»
mal die Gnade des Kaisers erprobt und
ihm seine Treue für die Zukunft auf das
feierlichste gelobt hatte, wie dieser Mensch,
der nach mannigfachen Kämpfen mit dem
Schicksale sich endlich eine schöne und
gesicherte Existenz errungen, seine ein»
trägliche Stellung, sein Weib, seine hilf-
lose Mutter einer politischen Chimäre
opfern und eine Regierung, der er nicht
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Buch Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Trzetrzewinsky-Ullepitsch, Band 48"
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Trzetrzewinsky-Ullepitsch, Band 48
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Trzetrzewinsky-Ullepitsch
- Band
- 48
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1883
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon