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Unterthiner^ Margarethe 1Y3 Unterthine^ Margarethe
zosen, strömten auf das Aufgebot der Ge»
meindevorsteher die Bewohner des Tinner-
thales, Männer und Weiber, ja zwölf-
jährige Buben, die bisher nur Hasen und
Elchkätzchen geschossen, herbei; mit alten
verrosteten Musketen — nur der kleinste
Theil besaß ordentliche Scheibenstutzen
— mit Dreschflegeln, Ackergabeln, Knit-
teln und Baumästen bewaffnet, kamen sie
heran, und das Ganze sah im ersten
Augenblick mehr einem lustigen Aus-
züge zur Alm, als einem feindlichen
Anrücken gegen die Franzosen ähnlich.
I n Verdings versammelten sie sich und
stellten sich auf dem Bühel, welcher sich
hinter dem Dorfe hindehnt, förmlich
corpsmäßig auf. Die Franzosen sahen
mit befremdeten Blicken von Säben aus
den Vorgang, und da sie in den Loden«
rocken alsbald die Tiroler Bauern erkann-
ten, sandten sie ihnen auch ohne Aufschub
einige Kanonenkugeln zu. Plötzlich aber
wurden sie durch ein neues Schauspiel
gefesselt, als neben den Lodenröcken von
allen Seiten die Weiber, in weiß wollene
Wettermäntel gehüllt, erschienen. Nun
kam ein eigener Wahn in die Franz.
männer, sie hielten diese weißen Gestalten
für Huszaren, die dem Landvolke zu
Hilfe geeilt seien, und da sie das Terrain
nicht kannten und besorgten, einerseits
vom Tinnerthale her, andererseits von
Klausen herauf auf ihrer eigenen Posi-
tion abgeschnitten zu werden, so zogen
sie sich kämpfend vom Säbenberge nach
Klausen zurück, und sofort besetzten die
Tiroler die verlassene Stellung. Als in
Säben nun Alles ruhig blieb und kein
französischer Adler mehr auf den Zinnen
wehte, kamen die Latzfonser, welche von
Klausen herauf die Flintenschüsse knattern
gehört hatten, in freudiger Hast durch
die Torgler Weinberge, im Rücken des
abziehenden Feindes und von diesem un- beachtet gelassen, nach dem Säben hin-
über, auf welchem sie völlig ungestört
und um so sicherer, als den Franzosen
die eben von Klausen herangerückten
Villanderser und Borbianer zu schaffen
machten, sich festsetzen konnten. Auf
diesem Zuge der Latzfonser hatte sich die
kräftige, stämmige, an Größe das gewöhn«
liche Maß der Weiber weit überschreitende
Bauerndirne „T inne r Grea ta "
(Margarethe Unterthiner) mit
noch mehreren anderen stämmigen Wei-
bern den Männern angeschlossen, sobald
in Latzfons die Sturmglocke zum Auf-
bruch gegen die Franzosen zu läuten be>
gönnen. Auf dem Säben stellten die
Frauen in ihren weißen Wettermänteln
sich muthig längs der Kreuzkirche hinter
die locker gebildeten Reihen der Männer
auf. Diese aber, theils von Mauern,
theils von Gesträuch und in Eile herbei»
gebrachten Geräthschaften aller Art ge»
schützt, brannten mit der bekannten
Treffsicherheit der Tiroler ihr Blei ganz
wirksam den Franzosen auf den Pelz
hinunter. Buben, die kein Schießgewehr
besaßen und den kämpfenden Eltern das
Mittagessen brachten, blieben auch nicht
müßig und schleppten emsig von allen
Seiten Steine herbei, so groß, als sie
solche im Stande waren fortzubringen,
und rollten sie im Verein mit den Dirnen
auf die vom „kalten Keller" hervor-
brechenden Franzosen über die Säben-
wand hinab. Man setzte sich durch Ab«
reißen unnöthiger Mauertheile auch in
den Besitz ganz gewaltiger Steinmassen,
und die Wirkung derselben war entsetzlich,
da sie beim Hinunterstürzen immer gleich
mehrere Franzosen kopfüber in die Eisack
hinabrissen. Solchen Waffen war auf die
Dauer nicht Widerstand zu leisten, das
Schießen in Klausen wurde immer
schwächer, und die Franzosen, aus diesem.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Ullik-Vassimon, Band 49
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Ullik-Vassimon
- Band
- 49
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1883
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon